Blumenthal in neuer Blüte
Zum Zehnjährigen der Gemeinschaft auf dem Schlossgut bei Aichach kommt Initiator Karl Giggenbach zurück. Er erinnert an den Mut, der beim Start nötig war. Und ein Banker outet sich und seine Kollegen als Blumenthal-Fans
Aichach Blumenthal Die Gemeinschaft Blumenthal feierte ihr zehnjähriges Bestehen. Zahlenwerk spielte bei dem Festakt so gut wie keine Rolle. Was zählte, war das Erreichte, der Rückblick auf die Entscheidungen der Gemeinschaft und – von euphorisch bis kritisch – der Ausblick auf die nächste Dekade.
Vielleicht brachte es von allen Gastrednern die „Nachbarin“, Theresia Kreppold, die Märchenerzählerin aus Wilpersberg, mit einer Mischung aus Märchen, Cabaret und Historie am besten auf den Punkt. Denn es klingt tatsächlich wie ein Märchen, wie in die dem Zerfall preisgegebenen Gemäuer wieder Leben einzog, wie die Bürger des Wittelsbacher Landes das Angebot annahmen, wie aus den vor sich hin modernden Mauern ein moderner, viel gebuchter Tagungsort oder eine Hochzeitsoase wurde.
Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann sah seine Vorgaben aus dem Jahr 2007 voll umgesetzt: Der Erhalt der baulichen Substanz, der sensible Umgang sowohl mit dem Ensemble, als auch mit der Stadthistorie Aichachs und mit der Geschichte Bayerns, die doch mit Blumenthal verwobenen ist. Habermann: „Sie haben Ihr Versprechen absolut eingehalten, Blumenthal zu neuer Blüte zu führen.“Das Wagnis wird finanziert, damals wie heute, von der GLS- Bank. Sie investiert in Projekte wie ökologische Landwirtschaft, in nachhaltiges Bauen, Wohnprojekte, regenerative Energien, Freie Schulen und Kindergärten und Kultur. Alles Dinge, bei denen Blumenthaler aktiv dabei sind. Kein Wunder also, dass Maurice Attenberger von der GLS-Bank verkünden konnte: „Alle GLS-Banker sind Blumenthal-Fans.“
Geseko von Lüpke vom Bayerischen Rundfunk analysierte „die Erfolgsstory Blumenthal“und stellte sie sogar in einen größeren Kon- text: „Blumenthal als Sprössling einer Weltentwicklung.“Die dem Gemeinwohl verpflichteten Gemeinschaften bildeten mittlerweile ein Netzwerk, das Regierungen bewege. Und jede dieser lebenswerten Alternativen werde gebraucht angesichts der Dringlichkeit beim Umbau der weltweiten Ökonomie, so Geseko von Lüpke. Ökodörfer gebe es seit 50 Jahren. Sie setzen auf erfolgreiche Vielfalt und Gemeinschaft, während die Gesellschaft immer noch „die eine Lösung, die Monokultur“bevorzuge.
Karl Giggenbach war jener Mann, der sich Blumenthal aussuchte und Menschen gewann, mit denen er ein nachhaltiges Projekt starten konnte. „Ich habe mir seit 2002 viele Plätze und Objekte angeschaut“, erzählte der Initiator über seine Suche. Am 1. Mai 2006 hätten sich in einer Münchner Gastwirtschaft 50 Interessierte zusammengefunden. Grundton dieser Zusammenkunft, laut Giggenbach: „Wenn wir eine Million zusammenbekommen, geht was. Wenn nicht, dann war’s das. Und es kamen spontan 950000 Euro zusammen.“Giggenbach ist bekennender HabermannFan: „Der Bürgermeister hat sich immer für uns eingesetzt.“
So starteten die 16 Teilhaber und Giggenbach erläuterte: „Wir waren einfach mutig, alle.“Denn das geplante Hotel wäre in der einfachen Planversion nur Arbeit ohne Gewinn gewesen, in der zweiten Version wäre die Pleite vorprogrammiert gewesen. „Nur das dritte Modell, das mit Abstand teuerste, versprach Gewinne“, so Giggenbach. Doch dann sprang der Visionär ab. Und heute sagt er über diese Zeit damals: „Wenn ich nicht gegangen wäre, wäre ich gestorben.“Und noch was: „Ich beschäftige mich oft mit Blumenthal, ich träume sogar davon. Dann ist da ein ganz großer Schmerz in mir. Ich bin fünf Jahre nicht mehr da gewesen. Was daraus geworden ist, ist einmalig.“