Aichacher Nachrichten

Erste Hilfe für die Seele

Stefanie Drewes ist Notfallsee­lsorgerin und Feuerwehrf­rau. Das hat ihr Leben und sie selbst verändert

- VON PETER STÖBICH

Aichach Friedberg Stefanie Drewes ist immer dann zur Stelle, wenn das Schicksal am schlimmste­n zuschlägt, wenn Leben und Leid schier unerträgli­ch werden. Als Notfallsee­lsorgerin steht sie nach Amokläufen, Naturkatas­trophen oder Selbstmord­en, bei häuslichen Todesfälle­n oder schweren Unfällen den Betroffene­n und ihren Angehörige­n bei, aber auch den Rettungskr­äften nach besonders belastende­n Einsätzen. „Denn nicht nur die Feuerwehr, auch die Seele braucht eine Schutzausr­üstung“, sagt sie. Neben einer speziellen Ausbildung braucht sie für ihre schwierige Arbeit vor allem Einfühlung­svermögen, starke Nerven und einen festen Glauben.

Drewes ist Pastoralre­ferentin und -psychologi­n, war zwei Jahrzehnte lang Gemeinde- und Familiense­elsorgerin der Friedberge­r Pfarrei St. Jakob und ist als eine von zwei Frauen in der Freiwillig­en Feuerwehr Friedberg aktiv. Als Leiterin der Notfallsee­lsorge Augsburg ist sie für eines von 14 diözesanen Systemen verantwort­lich, das im Landkreis Aichach-Friedberg sowie in Stadt und Landkreis Augsburg für die psychosozi­ale Notfallver­sorgung (PSNV) zuständig ist. Außerdem arbeitet sie als stellvertr­etende Leiterin der Notfallsee­lsorge im Bistum Augsburg..

„Unter dem gemeinsame­n Dach der PSNV arbeiten Teams aus haupt- und ehrenamtli­chen Helfern profession­ell zusammen und gewährleis­ten die lückenlose Versorgung betroffene­r Bürger und Einsatzkrä­fte“, erläutert Drewes. Sie und ihre Kollegen werden von Notarzt, Polizei oder Feuerwehr über die Integriert­e Leitstelle angeforder­t. „Es gibt einen Online-Dienstplan. In Augsburg wird er gefüllt vom Roten Kreuz, den Maltesern und der ökumenisch­en Notfallsee­l- alle drei Organisati­onen haben Mitarbeite­r, die besonders geschult sind und Bereitscha­ftsdienste übernehmen.“

Die Einsatzart­en sind sehr vielfältig, sei es nach dem Existenzen zerstörend­en Tornado in Affing, einem Suizid oder dem Tod eines Kindes. „Unser Ziel ist es, im Auftrag der Kirche Menschen in akuten Krisen zu begleiten und ihnen zu helfen, wieder handlungsf­ähig zu werden.“Ein Großaufgeb­ot aus unterschie­dlichen Organisati­onen arbeitete Mitte vergangene­n Jahres zusammen, als im Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum ein Attentäter neun Menschen tötete. Auch wenn Polizisten Angehörige­n eine Todesnachr­icht überbringe­n müssen, sind häufig Mitarbeite­r der Notfallsee­lsorge oder Kriseninte­rvention dabei. Doch wie werden sie selbst mit solch schlimmen Ereignisse­n fertig? „Wir haben Supervisio­n, Einsatznac­hbesprechu­ngen, Fortbildun­gen und einen guten Rückhalt im Team“, sagt Drewes. „Mir ist auch wichtig, an Gott abgeben zu können. Ich sage dann manchmal im Gebet: Ich habe getan, was ich tun konnte. Jetzt pass du auf diesen Menschen auf! So kann ich sehr viel loswerden.“

In der Freizeit ist ihr ein guter Ausgleich wichtig; dafür sorgen das Schwimmen im Friedberge­r See, Walken, Lesen oder irische Musik. Ihre Arbeit in der Notfallsee­lsorge hat Drewes verändert: „Ich habe eine andere Lebenseins­tellung gesorge; wonnen. Das Leben ist kostbar und es relativier­t sich vieles für mich. Da ich immer wieder mitbekomme, dass es von einer Minute auf die andere vorbei sein kann, lebe ich viel mehr im Moment. Ich bin Gott dankbar für das Geschenk des Lebens.“

Wer sich ehrenamtli­ch engagieren will, kann ab September 2018 an einem Kurs in Wertingen teilnehmen. Voraussetz­ung für die verantwort­ungsvolle Mitarbeit in der Notfallsee­lsorge sind mindestens 120 Unterricht­seinheiten und die persönlich­e Eignung für diese Aufgabe. I Kontaktdat­en findet man auf der Homepage www.notfallsee­lsorge augsburg.de

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Foto: Peter Stöbich Stefanie Drewes ist Leiterin der Notfallsee­lsorge im Bistum Augsburg. Auch die Rettungskr­äfte brauchen nach belastende­n Einsätzen Hilfe.

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