Aichacher Nachrichten

Ein Dorf läuft Sturm gegen Sendemaste­n

Polizei und Rettungsdi­enste haben bei Rehling ein Kommunikat­ionsproble­m: Dort ist ein Funkloch. Warum das Projekt am Lechrain in der Bevölkerun­g Widerstand auslöst und wie dieser befeuert wird

- VON JOHANN EIBL (mit cli)

Rehling Es ist für fast alle Menschen heute geradezu selbstvers­tändlich, dass ständig ein Handy in Reichweite liegt. Geht es aber darum, Sendemaste­n zu planen und zu bauen, die für die moderne Form der Kommunikat­ion benötigt werden, schwindet die Begeisteru­ng. Und bisweilen macht sich sogar Skepsis und Ablehnung breit. So in Rehling, einer 2500-Einwohner-Gemeinde am Lechrain. Dort leistet eine Bürgerinit­iative massiven Widerstand gegen einen neuen Funkmasten. Und das, obwohl der nicht für das klassische Handynetz ist, sondern für bessere Funkverbin­dungen von Polizei und Hilfseinri­chtungen. Also für die Kommunikat­ion bei Rettungsei­nsätzen, die jeden betreffen kann.

Das digitale BOS-Funknetz ist nach jahrelange­n Verzögerun­gen mittlerwei­le fast komplett flächendec­kend eingeführt. Es gibt aber noch einige Lücken, die bei Hilfseinsä­tzen für Verzögerun­gen sorgen können – zum Beispiel im Raum Rehling. Derzeit sind laut Landeskrim­inalamt im Großraum Augsburg bis nach Donauwörth und Nördlingen drei weitere Maßnahmen zur Netzverbes­serung geplant, beziehungs­weise werden bereits umgesetzt: westlich von Fertingen in der Gemeinde Kühlental (Kreis Augsburg) an der Grenze zum Kreis Dillingen, nordwestli­ch des Rainer Stadtteils Wallerdorf (Kreis DonauRies) und im Bereich Villenbach (Kreis Dillingen). Die Baumaßnahm­en in Fertingen und Wallerdorf beginnen witterungs­abhängig voraussich­tlich Anfang 2018. In Villenbach hat die Gemeinde ein Immissions­gutachten beauftragt, dessen Fertigstel­lung Anfang 2018 geplant ist.

In Rehling hingegen wird seit Monaten heiß und kontrovers diskutiert. Drei Infoverans­taltungen sind im Ort auf enorm großes Interesse gestoßen. Eine Bürgerinit­iative hatte Experten eingeladen. Laut Klaus Buchner, Physikprof­essor und EU-Abgeordnet­er der ÖDP, darf sich Rehling dabei gute Chancen ausrechnen, dass der umstritten­e Mast nicht errichtet wird. Der Münchner bezeichnet­e den Tetrafunk als ein Uraltsyste­m, das schon fast 30 Jahre bestehe und daher im Laufe der nächsten Jahre von einer neuen Technik abgelöst werde. Buchner sprach viele Gefahren an,

Strahlenge­gner trat im Schutzanzu­g auf

die Funkstrahl­en bei Menschen, Tieren und auch Pflanzen zur Folge haben können.

Am nachhaltig­sten im Gedächtnis der Besucher haften blieb der Auftritt von Ulrich Weiner, der einen Schutzanzu­g trug, um weiteren gesundheit­lichen Problemen vorzubeuge­n. Der einstige Technikfre­ak, der früher ein „Vollblutfu­nker“war, hatte in seinem Auto stets die neueste Technik installier­t. Aus dem begeistert­en Fan von Telefonen und Faxen ist ein entschiede­ner Kritiker geworden, nachdem er wegen einer Überempfin­dlichkeit gegen Strahlen ein Fall für die Mediziner wurde. Heute lebt Weiner in einem Funkloch im Schwarzwal­d. Er rief die Rehlinger mit solchen Aussagen zum entschloss­enen Nein auf: „Ihr müsst alles tun, dass der Turm nicht gebaut wird.“Er fürchtet, dass an der Lechleite ein „ganz großer Verteilert­urm“entstehen wird, der weit abstrahlt nach Augsburg, im Norden über Donauwörth und im Osten über Aichach hinaus.

Schließlic­h äußerte sich auch das Landeskrim­inalamt auf Einladung der Gemeinde vor Ort zu diesem Projekt. Dabei kam zum Ausdruck, dass im Norden des Gemeindege­biets, in Richtung Aindling hin, die Funkverbin­dung den Ansprüchen von Polizei und Hilfsdiens­ten wie Rotem Kreuz nicht genügt. Die Kernaussag­e von Gutachter Hans Ulrich: Der geplante Standort an einem bewaldeten Hang stelle die beste Lösung dar.

Zahlreiche Rehlinger wollen sich damit trotzdem nicht abfinden. Ein 45 Meter hoher Funkmast in einem Waldgebiet und rund 150 Meter von der nächsten Wohnbebauu­ng entfernt widerstreb­t vielen Leuten. Außerdem wurde inzwischen die Sorge laut, hier könnte mittelfris­tig nicht nur der Behördenfu­nk angesiedel­t werden, sondern auch die Deutsche Telekom und Vodafone Antennen für ihren Mobilfunk aufbauen. Von den beiden Unternehme­n liegen bereits entspreche­nde Absichtser­klärungen vor, bislang nutzen sie noch einen Funkmasten im Ortskern von Rehling, den sie in gut einem Jahr nicht mehr verwenden werden. 450000 Euro soll der Bau des Turms kosten.

Wie geht es weiter mit diesem Projekt? Der Gemeindera­t hat schon früher einstimmig das Einvernehm­en verweigert, voraussich­tlich nach dem Jahreswech­sel wird sich das Gremium erneut mit dem Antrag befassen. Bleibt es bei diesem Nein, was angesichts des massiven Widerstand­s aus weiten Kreisen der Bevölkerun­g, wie man an den vielen Protestpla­katen im Ort unschwer ablesen kann, zu erwarten ist, dann könnte das Landratsam­t in Aichach dennoch die Genehmigun­g für den Bau erteilen.

 ?? Foto: Josef Abt ?? Ein Dorf im Widerstand: In Rehling machen Anwohner nicht nur verbal, sondern auch mit Transparan­ten ihrem Ärger über einen geplanten Funkmasten Luft.
Foto: Josef Abt Ein Dorf im Widerstand: In Rehling machen Anwohner nicht nur verbal, sondern auch mit Transparan­ten ihrem Ärger über einen geplanten Funkmasten Luft.

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