Ein Dorf läuft Sturm gegen Sendemasten
Polizei und Rettungsdienste haben bei Rehling ein Kommunikationsproblem: Dort ist ein Funkloch. Warum das Projekt am Lechrain in der Bevölkerung Widerstand auslöst und wie dieser befeuert wird
Rehling Es ist für fast alle Menschen heute geradezu selbstverständlich, dass ständig ein Handy in Reichweite liegt. Geht es aber darum, Sendemasten zu planen und zu bauen, die für die moderne Form der Kommunikation benötigt werden, schwindet die Begeisterung. Und bisweilen macht sich sogar Skepsis und Ablehnung breit. So in Rehling, einer 2500-Einwohner-Gemeinde am Lechrain. Dort leistet eine Bürgerinitiative massiven Widerstand gegen einen neuen Funkmasten. Und das, obwohl der nicht für das klassische Handynetz ist, sondern für bessere Funkverbindungen von Polizei und Hilfseinrichtungen. Also für die Kommunikation bei Rettungseinsätzen, die jeden betreffen kann.
Das digitale BOS-Funknetz ist nach jahrelangen Verzögerungen mittlerweile fast komplett flächendeckend eingeführt. Es gibt aber noch einige Lücken, die bei Hilfseinsätzen für Verzögerungen sorgen können – zum Beispiel im Raum Rehling. Derzeit sind laut Landeskriminalamt im Großraum Augsburg bis nach Donauwörth und Nördlingen drei weitere Maßnahmen zur Netzverbesserung geplant, beziehungsweise werden bereits umgesetzt: westlich von Fertingen in der Gemeinde Kühlental (Kreis Augsburg) an der Grenze zum Kreis Dillingen, nordwestlich des Rainer Stadtteils Wallerdorf (Kreis DonauRies) und im Bereich Villenbach (Kreis Dillingen). Die Baumaßnahmen in Fertingen und Wallerdorf beginnen witterungsabhängig voraussichtlich Anfang 2018. In Villenbach hat die Gemeinde ein Immissionsgutachten beauftragt, dessen Fertigstellung Anfang 2018 geplant ist.
In Rehling hingegen wird seit Monaten heiß und kontrovers diskutiert. Drei Infoveranstaltungen sind im Ort auf enorm großes Interesse gestoßen. Eine Bürgerinitiative hatte Experten eingeladen. Laut Klaus Buchner, Physikprofessor und EU-Abgeordneter der ÖDP, darf sich Rehling dabei gute Chancen ausrechnen, dass der umstrittene Mast nicht errichtet wird. Der Münchner bezeichnete den Tetrafunk als ein Uraltsystem, das schon fast 30 Jahre bestehe und daher im Laufe der nächsten Jahre von einer neuen Technik abgelöst werde. Buchner sprach viele Gefahren an,
Strahlengegner trat im Schutzanzug auf
die Funkstrahlen bei Menschen, Tieren und auch Pflanzen zur Folge haben können.
Am nachhaltigsten im Gedächtnis der Besucher haften blieb der Auftritt von Ulrich Weiner, der einen Schutzanzug trug, um weiteren gesundheitlichen Problemen vorzubeugen. Der einstige Technikfreak, der früher ein „Vollblutfunker“war, hatte in seinem Auto stets die neueste Technik installiert. Aus dem begeisterten Fan von Telefonen und Faxen ist ein entschiedener Kritiker geworden, nachdem er wegen einer Überempfindlichkeit gegen Strahlen ein Fall für die Mediziner wurde. Heute lebt Weiner in einem Funkloch im Schwarzwald. Er rief die Rehlinger mit solchen Aussagen zum entschlossenen Nein auf: „Ihr müsst alles tun, dass der Turm nicht gebaut wird.“Er fürchtet, dass an der Lechleite ein „ganz großer Verteilerturm“entstehen wird, der weit abstrahlt nach Augsburg, im Norden über Donauwörth und im Osten über Aichach hinaus.
Schließlich äußerte sich auch das Landeskriminalamt auf Einladung der Gemeinde vor Ort zu diesem Projekt. Dabei kam zum Ausdruck, dass im Norden des Gemeindegebiets, in Richtung Aindling hin, die Funkverbindung den Ansprüchen von Polizei und Hilfsdiensten wie Rotem Kreuz nicht genügt. Die Kernaussage von Gutachter Hans Ulrich: Der geplante Standort an einem bewaldeten Hang stelle die beste Lösung dar.
Zahlreiche Rehlinger wollen sich damit trotzdem nicht abfinden. Ein 45 Meter hoher Funkmast in einem Waldgebiet und rund 150 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt widerstrebt vielen Leuten. Außerdem wurde inzwischen die Sorge laut, hier könnte mittelfristig nicht nur der Behördenfunk angesiedelt werden, sondern auch die Deutsche Telekom und Vodafone Antennen für ihren Mobilfunk aufbauen. Von den beiden Unternehmen liegen bereits entsprechende Absichtserklärungen vor, bislang nutzen sie noch einen Funkmasten im Ortskern von Rehling, den sie in gut einem Jahr nicht mehr verwenden werden. 450000 Euro soll der Bau des Turms kosten.
Wie geht es weiter mit diesem Projekt? Der Gemeinderat hat schon früher einstimmig das Einvernehmen verweigert, voraussichtlich nach dem Jahreswechsel wird sich das Gremium erneut mit dem Antrag befassen. Bleibt es bei diesem Nein, was angesichts des massiven Widerstands aus weiten Kreisen der Bevölkerung, wie man an den vielen Protestplakaten im Ort unschwer ablesen kann, zu erwarten ist, dann könnte das Landratsamt in Aichach dennoch die Genehmigung für den Bau erteilen.