Fake News für kleine Rotznasen
Mit dem Herbst beginnt die Erkältungszeit und mit ihr das Geschniefe. Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern und damit auch an vieles, was mir damals beigebracht wurde. Zum Beispiel, dass man die Nase nicht hochziehen soll. Die Begründung meiner Großmutter für diese Maßgabe war, dass sich durch notorisches Schniefen die Bakterien hinter der Stirn ansammeln und man infolgedessen zusehends dümmer wird.
Was man heutzutage als Fake News bezeichnen würde, hat mich im Kindesalter schwer beeindruckt. Obwohl ich keinen weiteren Grund brauchte, hatte mein Großvater eine weitere halbwegs plausible Begründung parat, warum das „Rotzen“keine Lösung sei: Wer die Nase hochzieht, steckt sich immer wieder selbst mit seinem Schnupfen an! Wie meine Oma trug auch er stets ein Stofftaschentuch mit sich herum.
Weil ich also weder dauerhaft verschnupft sein, noch fortschreitend einfältiger werden wollte, putzte ich mir stets brav die Nase. Bis es einige Jahre darauf zum Paradigmenwechsel kam: Plötzlich hieß es in Verbrauchermagazinen und Fernsehzeitschriften, beim Schnäuzen schleudere man die Bakterien geradewegs in die Nebenhöhlen.
Besser sei es, die Nase hochzuziehen: Dann würde der infektiöse Schleim von der Magensäure unschädlich gemacht. Alternativ könne man es auch halten wie die Fußballer, die sich gelegentlich ein Nasenloch zuhalten und überschüssiges Nasenmaterial per Luftdruck entsorgen.
Auf gar keinen Fall solle man aber ein Stofftaschentuch in der Hosentasche herumtragen. Denn durch die Körperwärme bilde es das perfekte Habitat für allerhand Bakterienkulturen. Von ihren Überzeugungen und dem Tuch in der Tasche sind meine Großeltern dennoch nicht abgewichen.