Morgen werden die letzten Gebeine geborgen
An der Fundstelle am Thierhauptener Kindergarten wird mit Hochdruck gearbeitet. Denn die Forscher fürchten Raubgräber
Thierhaupten Am Fundort von mehr als einem Dutzend Skeletten in Thierhaupten arbeiteten Archäologen auch gestern mit Hochdruck. Die Forscher gehen der Frage nach, wer die Menschen waren, deren Überreste unter dem Spielplatz der Kindertagesstätte St. Peter und Paul in Thierhaupten gefunden wurden. Darauf wird es womöglich so schnell keine Antwort geben. Sicher ist dagegen, wo die 14 Skelette aus Thierhaupten enden werden: in einem Magazin in Aschheim/Dornach bei München.
Dort lagert die bayerische Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie rund 50000 archäologische Skelettfunde. Diese stammen überwiegend aus dem bayerischen Raum und datieren von der Steinzeit bis in die Neuzeit. Die Sammlung ist die für archäologische Skelettfunde zuständige staatliche Einrichtung in Bayern und nach Auskunft des Landesamtes für Denkmalpflege auch das Ziel der in Thierhaupten gefundenen Gebeine.
Bürgermeister Toni Brugger geht davon aus, dass die Funde eingehend untersucht werden. „Sie sind Teil unserer Kultur und Ortsgeschichte. Da möchten wir schon genau wissen, was es damit auf sich hat.“In die Untersuchung der Fundstücke seien bereits etliche Experten eingebunden. So sollen die letzten Gebeine am Freitag im Beisein eines Anthropologen geborgen werden. Doch die Thierhauptener müssen sich möglicherweise in Geduld üben, bis Antworten vorliegen. Ob und auf welche Weise zum Beispiel die Überreste verstorbener Menschen untersucht werden, unterliegt einem längeren Entscheidungsprozess. Zudem sind die Ressourcen der dafür zuständigen Staatssammlung begrenzt. Denkbar wären beispielsweise DNA-Analysen oder die sogenannte Radiokarbonmethode, mit der das Alter der Knochen annäherend bestimmt werden könnte. Dabei wird der Anteil des Kohlenstoff-Isotops C14 ermittelt.
Hintergrund: Sobald ein Organismus abstirbt, kann er kein C14 mehr aufnehmen. Das schon im Körper vorhandene C14 zerfällt in einer konstanten Rate. Vereinfacht gesagt bedeutet das: Eine Uhr, die Wissenschaftler anhand von Vergleichswerten lesen können, beginnt mit dem Tod zu ticken. Einer der Nachteile von sogenannten invasiven Methoden wie dieser: Für sie müssen Teile des vorhandenen Skelettmaterials geopfert werden.
Für die Wissenschaftler sind aber nicht die Knochen allein von Bedeutung. Wichtig ist auch die Umgebung, in der die Skelette aufgefunden wurden, weshalb den Grabungen, die am morgigen Freitag abgeschlossen sein sollen, große Bedeutung zukommt.
Bis alle Ergebnisse ausgewertet seien, werde es jedoch dauern, so eine Sprecherin des Landesamtes gegenüber unsrer Zeitung. Über die Schulter schauen lassen sich die Experten des Landesamtes für Denkmalpflege, das praktischerweise im Thierhauptener Kloster eine Außenstelle hat, zum jetzigen Zeitpunkt nur ungern. Am liebsten wäre es ihnen gewesen, die Grabungen geheim zu halten und erst nach deren Abschluss zu erzählen, was da unter dem früheren Kinderspielplatz zutage kam.
Groß ist die Furcht, dass ungebetene „Schatzsucher“sich nachts über die Fundstelle hermachen und dort bleibende Schäden anrichten. Doch die Grabung mitten im Ort, über die unsere Zeitung am Dienstag erstmals berichtet hat, ließ sich ohnehin nicht geheim halten. „Ganz Thierhaupten spricht darüber“, sagt Rathauschef Brugger. Ans Tageslicht gekommen waren die 14 vergessenen Grabstätten im Zuge von Arbeiten für die Erweiterung der Kita. Dass Archäologen in der Nähe der Thierhauptener Dorfkirche fündig werden könnten, war schon vorher klar gewesen. Überhaupt geben die Böden der Region immer wieder spektakuläre Funde preis.
Zwei Wochen Bauverzögerung bedeute der Einsatz der Forscher, den die Gemeinde bezahlen muss, schätzt Toni Brugger. Doch über den finanziellen Aufwand will der Rathauschef im traditionsbewussten Thierhaupten, das sich mit einem der ältesten Klöster Bayerns schmückt, nicht klagen: „Das ist es uns wert.“