Aichacher Nachrichten

Windkraftg­egner: Rotoren machen Menschen krank

Während sich aktuell ein neuer Verein gegen einen Windpark im Allenberge­r Forst formiert, hat die BTG ein anderes Ziel: Nachtabsch­altung der Anlagen im Blumenthal­er Forst. Ein Mediziner spricht von gravierend­en Beschwerde­n

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Die Gegner des Windkraftp­rojekts im Allenberge­r Forst formieren sich der derzeit im Verein „Schutz unserer Wittelsbac­her Heimat“. Zehn Mitglieder sind es eine gute Woche, nachdem das Projekt bekannt geworden ist. Spätestens mit der ersten Veranstalt­ung am Sonntagnac­hmittag in Oberwittel­sbach sollen es schnell mehr werden. Die Gegner des Windkraftp­rojekts im Blumenthal­er Forst haben sich vor vier Jahren in der Bürgerinit­iative BTG Laimering Rieden Gallenbach zusammenge­schlossen. Damals waren die Säle bei Infoabende­n brechend voll. Heute engagiere sich nur noch ein „harter Kern“, räumt Vorsitzend­er Bernd Huhnt ein, und das seien vor allem die „Betroffene­n“. Also eine Reihe von Anwohnern, die zum Teil gravierend­e gesundheit­liche Probleme hätten, sagt Mediziner Johannes Mayer aus Rieden: „Es gibt aber auch spektakulä­re Einzelfäll­e.“Bei vielen anderen, die sich früher gegen den Bau der 200 Meter hohen Anlagen engagierte­n, herrsche dagegen nur noch „Resignatio­n“, weiß Huhnt. Der Unterschie­d zwischen den Gruppen: Die vier Windräder zwischen den Aichacher Stadtteile­n Oberwittel­sbach und Untermauer­bach sind geplant. Die sechs Windräder zwischen den Dasinger und Aichacher Ortsteilen und Sielenbach stehen fast zwei Jahre.

Die Energiebau­ern ziehen als Betreiber des Windparks trotz Anlaufschw­ierigkeite­n eine zufriedene erste Bilanz (wir berichtete­n). Die Stromprodu­ktion lag nach dem ersten Halbjahr sieben Prozent über der Prognose. Die Windkraftg­egner der BTG wollen auf das Thema Wirtschaft­lichkeit der Anlagen, das vor dem Bau und bei den Protestver­anstaltung­en gegen die Genehmigun­g eine große Rolle gespielt hat, gar nicht mehr groß eingehen. Jetzt, wo die Windräder im Abstand von zum Teil unter 1000 Meter zur Wohnbebauu­ng stehen, gehe es vor- rangig darum, gegen die gesundheit­lichen Auswirkung­en des Windparks auf betroffene Menschen vorzugehen. Für Huhnt und Mayer gibt es dazu zwei Wege. Zunächst durch eine Lärmmessun­g des Landratsam­tes. Das soll in absehbarer Zeit bei der Behörde beantragt werden. Liegen die Emissionen über den genehmigte­n Werten, müsste das Landrastam­t selbst tätig werden und eine Nachtabsch­altung (zwischen 22 und 6 Uhr) der Rotoren anordnen, sagt Huhnt. Wenn es nicht dazu kommt, könnte ein Anwohner dieses Ziel, also die Nachtabsch­altung, auch durch eine Privatklag­e erreichen, sagt Huhnt. Es gebe mehrere vergleichb­are Urteile in Deutschlan­d.

Johannes Mayer, Allgemeina­rzt mit Schwerpunk­t Osteopathi­e sowie Gründer einer eigenen Hochschule für Osteopathi­e und Physiother­apie in Mannheim, zählt zwei aus seiner Sicht als Mediziner besondere Einzelfäll­e auf, die nach seiner Überzeugun­g durch die Inbetriebn­ahme der drei Windräder bei Bachern (Oktober 2015) und bei Laimering (Oktober 2016) hervorgeru­fen wurden. Fall eins: Ein 50-Jähriger aus Bachern (Stadt Friedberg), der knapp unter 1000 Meter von einem Windrad entfernt wohnte, sei vier Monate später schwer erkrankt. Symptome: Hör-, Konzentrat­ionsund massive Schlafstör­ungen, Tinnitus, Schwellung­en im Gesicht, Schwindel. Der Patient sei im Klinikum Augsburg intensiv untersucht worden – ohne eine Erklärung zu finden. Der Mann sei dann testweise drei Wochen weggezogen in zehn Kilometer Abstand zum Windpark. Die Beschwerde­n hätten sich dort erheblich verringert. Seit Oktober 2016 wohne der Mann dauerhaft in Kissing und habe seinen Bauernhof in Bachern verlassen. Dort gehe es ihm gut. Aber jedes Mal, wenn er am Wochenende auf seinen Bauernhof komme, würden innerhalb von einer Stunde die Beschwerde­n wieder auftrete, vor allem sichtbare Gesichtssc­hwellungen, Tinnitus und Kopfschmer­zen, berichtet Johannes Mayer. Und in Kissing würden sie innerhalb von zwei Stunden wieder vollständi­g abklingen. Fall zwei ist Bernd Huhnt selbst: Der Laimeringe­r bemerkte nahezu die gleichen Symptome seit Oktober 2016 wie der Bacherner und habe deshalb sein Haus bei 30 Prozent Wertverlus­t verkauft. Er zog ins Augsburger Zentrum. Dort seien die Schlafstör­ungen nach zwei Wochen komplett verschwund­en, sagt Mayer: „Er ist also vom Land in die Stadt gezogen, um Ruhe zu finden.“

Der Arzt hat dazu neun Fragebogen an Bürger in Laimering und Rieden sowie zehn in Bachern verteilt, die über gesundheit­liche Beschwerde­n klagten. Ergebnis seiner Auswertung: Vor Inbetriebn­ahme der Anlagen hätten die Teilnehmer der Befragung so gut wie keine Probleme gehabt. Sie seien „sehr gesund“gewesen und gesünder als der Durchschni­tt der Landbevölk­erung. Seither seien die Beschwerde­n „drastisch angestiege­n auf 50 bis 80 Prozent“. Viele der Betroffene­n könnten im Urlaub viel besser schlafen. Mayer führt die Symptome auf Infraschal­l und Hörschall durch die Windräder zurück.

Im Ort Bachern gibt es laut Mayer noch eine andere medizinisc­h auffällige Häufung, und zwar von Krebsfälle­n. 2016 seien dort drei Menschen an Krebs gestorben und drei weitere daran erkrankt – alle sechs wohnten/wohnen 1000 Meter von den Windrädern entfernt und in unmittelba­rer Nachbarsch­aft. Laut bayerische­r Krebsstati­stik sei diese Todesfallr­ate in Bachern doppelt so hoch wie der Durchschni­tt. Für Mayer ist das „überzufäll­ig häufig“und bedürfe einer „weiteren genauen Abklärung“.

 ?? Foto: Dominik Schwemmer ?? Den Bau konnten sie nicht verhindern, jetzt wollen Johannes Mayer (links) und Bernd Huhnt die Nachtabsch­altung der Windräder bei Laimering erreichen. Für Mayer sind nur Abstände über 2000 Meter gesundheit­lich unbedenkli­ch.
Foto: Dominik Schwemmer Den Bau konnten sie nicht verhindern, jetzt wollen Johannes Mayer (links) und Bernd Huhnt die Nachtabsch­altung der Windräder bei Laimering erreichen. Für Mayer sind nur Abstände über 2000 Meter gesundheit­lich unbedenkli­ch.

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