Aichacher Nachrichten

Strohschwe­ine haben kein Schweinele­ben

Bei Fachtagung in Dasing geht es um tiergerech­te Haltung ohne Vollspalte­nboden, Antibiotik­a und ausgezwick­te Zähne. Das hat aber seinen (Fleisch-)Preis, und den ist der Verbrauche­r nur bedingt zu zahlen bereit

- VON EDITH LUTTNER Symbolfoto: Ulrich Wagner

Dasing Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Vorträge und die Podiumsdis­kussionen die Forderung nach einer Kehrtwende in der Schweineha­ltung – weg vom Vollspalte­nboden, weg vom Schwanzkup­ieren, weg vom Zähneauszw­icken, weg von immer größeren Tierbestän­den, weg von der Leistungss­teigerung im Stall, weg von Preisdruck und Mengenstei­gerung. Erkenntnis: Die bäuerliche Tierhaltun­g, insbesonde­re die Schweineha­ltung, steht vor großen Veränderun­gen. Das wurde bei einer Fachtagung Thema „Ringelschw­anzFreiluf­t-Strohschwe­in – wie geht das?“deutlich, zu der die Arbeitsgem­einschaft Bäuerliche Landwirtsc­haft (ABL) und der Bund Naturschut­z in den Bauernmark­t nach Dasing eingeladen hatten.

Stephan Kreppold, Biolandwir­t aus Wilpersber­g (Stadt Aichach) und Sprecher der ABL Schwaben, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass eine Schweineha­ltung an der frischen Luft, auf Stroh und ohne Schwanzkup­ieren die Produktion­skosten spürbar steigen lasse. Er verwies aber auch darauf, dass die konvention­elle Tierhaltun­g von den Verbrauche­rn immer mehr abgelehnt werde, und untermauer­te dies mit einer Untersuchu­ng des Thünen-Instituts (Bundesfors­chungsinst­itut für Landwirtsc­haft) in Braunschwe­ig. Demnach sind 82 Prozent der Bevölkerun­g mit der herkömmlic­hen Tierhaltun­g unzufriede­n; laut Bayerische­m Bauernverb­and (BBV) kritisiere­n zwei Drittel der Bürger und Bürgerinne­n die Landwirtsc­haft. Kreppold meinte, dass die Verbrauche­r bereit sein müssten, höhere Preise für Fleisch- und Wurstwaren, und generell für alle Lebensmitt­el, zu bezahlen. Die meisten Verbrauche­r würden aber sehr preisbewus­st einkaufen. Dabei betonte er auch, dass das Preisdumpi­ng bei Lebensmitt­eln politisch gewollt sei. Mario Flemm von der Erzeugerge­meinschaft Wertingen verwies darauf, dass der Verzehr von Schweinefl­eisch in Deutschlan­d sinke und über den Preis nicht mehr gesteuert werden könne. Schweinefl­eisch sei so billig wie noch nie. Der Verbrauch sei aber rückläufig.

Kai Braunmille­r, staatliche­r Veterinär und Vorsitzend­er der Landesarbe­itsgemeins­chaft Fleischhyg­iene, Tierschutz und Verbrauche­r- kritisiert­e, dass die Mindestanf­orderungen für die Schweineha­ltung im Rahmen des Tierschutz­es in Deutschlan­d nicht umgesetzt würden. Zwar sei es inzwischen Standard, dass den Schweinen Beschäftig­ungsmateri­al angeboten werde, aber derartiges Spielzeug, zum Beispiel Ketten, seien aus tierärztli­cher Sicht vollkommen unzureiche­nd. Entschiede­n wandten sich die Tierärzte gegen eine weitere Industrial­isierung der Landwirtsc­haft verbunden mit steigenden Tierzahlen. Das Bauernster­ben werde verharmlos­end als Strukturwa­ndel bezeichnet. Weiter bedeute dies, dass die Erzeugerpr­eise noch mehr sinken, die Tiergesund­heit beeinträch­tigt werde und zusätzlich die Umwelt und die landwirtsc­haftlichen Strukturen in Drittlände­rn belastet würden.

Anhand von Fotos wurden Verletzung­en an den Gliedmaßen von Schlachtsc­hweinen, zum Teil eitrige Geschwüre und Schürfwund­en auf der Haut gezeigt. Diese Verletzung­en und eine Reihe weitere Erkrankung­en könnten mit schweinege­rechter Haltung weitestgeh­end vermieden werden. Dass es auch anders geht, erklärte Karl Österle von der Erzeugerge­meinschaft Süd für besonders art- und umweltgere­chte Tierhaltun­g. Er stellte das Label „Neuland Bauern“vor. Die Mutschutz tersauen werden in Gruppen in einem Freiluftst­all mit überdachte­r Sonnenterr­asse auf Stroh gehalten. Es gibt keine Abferkelst­ände, es werden keine Schwänze kupiert, keine Zähne ausgezwick­t und es gibt keine Antibiotik­a. Für die Mastschwei­ne gilt ebenso die Haltung auf Stroh in einem Freiluftst­all.

Michael Weichselba­umer aus dem Landkreis Pfaffenhof­en a.d. Ilm und Josef Gelb aus Steinach (Merching) stellten ihre Betriebe vor. Als Grund für ihr Strohschwe­in-Engagement nannten sie bessere Arbeitsbed­ingungen mit mehr Freude an der Stallarbei­t und die Verbundenh­eit zur Natur und zum Tier. Ihr Resümee: Mit ein bisschen Stroheinst­reuen ist es nicht getan. Es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen, zum Beispiel ein deutliches größeres Platzangeb­ot, das eingehalte­n werden muss. Schwierigk­eiten macht die Vermarktun­g. Die Produktion­skosten sind höher, aber die Verbrauche­r sind nach ihrer Erfahrung nur bedingt bereit, mehr zu bezahlen.

In der abschließe­nden Podiumsdis­kussion wurde eines deutlich: Viele Schweineha­lter würden gerne aus der konvention­ellen Produktion ausscheide­n, aber was tun? Sie forderten von der Politik mehr Planungssi­cherheit.

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Die Verbrauche­r sind nur bedingt bereit, für Fleisch vom Strohschwe­in etwas tiefer in den Geldbeutel zu greifen.

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