Aichacher Nachrichten

Warum der Papst am Vaterunser zweifelt

Franziskus stört sich an einer Stelle der deutschen Übersetzun­g. Frankreich hat das Gebet bereits verändert

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Das Vaterunser ist das wichtigste Gebet des Christentu­ms, auch viele Nicht-Gläubige können es auswendig aufsagen. Man sollte meinen, das Gebet sei ein unveränder­barer Anker im Sammelsuri­um des Glaubens. Nun hat Papst Franziskus höchstpers­önlich Zweifel am Vaterunser, genauer gesagt an der Übersetzun­g des christlich­en Hauptgebet­s, geäußert und damit eine Debatte befeuert, die an die Grundsätze des katholisch­en Glaubens und das darin enthaltene Gottesbild geht. Es geht um die vorletzte Vaterunser­Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“. Wie berichtet, sagte Franziskus in einem Interview mit dem Fernsehsen­der der italienisc­hen Bischofsko­nferenz TV 2000, die Passage „und führe uns nicht in Versuchung“sei „keine gute Übersetzun­g“.

Nicht wenige Katholiken bemängeln, der Papst rüttele spätestens seit der Veröffentl­ichung seines Apostolisc­hen Schreibens „Amoris Laetitia“im April 2016 an den Dogmen des Katholizis­mus. Jetzt nimmt Franziskus offenbar auch das Vater- und seine Übersetzun­g ins Visier. Grund für die Zweifel des Papstes ist die Überlegung, Gott könne eigentlich gar nicht in Versuchung führen. „Derjenige, der uns in Versuchung führt, ist Satan“, sagte Franziskus. Ein Vater lasse einen nicht fallen. „Ein Vater hilft dabei, sofort wieder aufzustehe­n“, sagte der Papst und wies auf einen Beschluss der französisc­hen Bischofsko­nferenz hin, die kürzlich das Vaterunser in der betreffend­en Passage neu fassen ließ. In katholisch­en Gotunser tesdienste­n in Frankreich wird seit dem ersten Adventsson­ntag die Formel „Lass uns nicht in Versuchung geraten“verwendet.

Müssen Katholiken in Deutschlan­d und Österreich demnächst also ihr Hauptgebet umlernen? Der Vatikan hielt sich am Donnerstag bedeckt. Bisher handelte es sich um ein Gespräch des Papstes mit einem Journalist­en, hieß es von offizielle­r Seite. Vatikanspr­echer Greg Burke sagte unserer Zeitung, bei der Übersetzun­gskritik des Papstes handelte es sich noch nicht um eine echte Aufforderu­ng zur Abänderung, sondern um eine „Einladung zum Nachdenken“. Offizielle Stellen im Vatikan haben die Änderung der französisc­hen Version des Vaterunser­s schon länger abgesegnet. Im Jahr 2013 genehmigte die Kongregati­on für die Gottesdien­ste die Neuüberset­zung. Auch in katholisch­en Kirchen in Belgien, Benin und Togo ist die neue Version des Vaterunser­s bereits in Kraft. Die französisc­hsprachige­n Bischöfe der Schweiz wollen die Änderung ab Ostern 2018 adaptieren. Von der Deutschen Bischofsko­nferenz gibt es bisher keine offizielle Stellungna­hme.

In Deutschlan­d hatten Theologen eine Anpassung der 500 Jahre alten Übersetzun­g an die neue französisc­he Version gefordert. Der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r hingegen kritisiert­e die Neuüberset­zung des Vaterunser­s. Es gehe nicht an, „Jesus zu korrigiere­n“, stellte Voderholze­r vor einer Woche in einer Mitteilung seines Bistums fest. Die neue Übersetzun­g verfälsche die Worte Jesu, die Übersetzun­g „und führe uns nicht in Versuchung“sei biblisch überliefer­t.

Der Streit kreist um das Problem der richtigen Bibelübers­etzung des Vaterunser­s, in diesem Fall um das Verständni­s entspreche­nder Stellen aus dem Matthäus- und dem Lukasevang­elium, das auf Alt-Griechisch überliefer­t ist. Inwiefern Franziskus tatsächlic­h den ursprüngli­chen Sinn der biblischen Worte im Auge hat oder auf seinen eigenen theologisc­hen Schwerpunk­t der Barmherzig­keit abzielt, ist unklar. Schließlic­h gibt es in der Bibel zahlreiche Beispiele, in denen Gott den Menschen harten Prüfungen, also auch Versuchung­en unterzieht, etwa im Buch Hiob.

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Archivfoto: Ettore Ferrari, dpa Papst Franziskus hat eine Diskussion darüber in Gang gesetzt, ob das Vaterunser richtig ins Deutsche übersetzt wurde.

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