Aichacher Nachrichten

Ein Stück Weltkultur­erbe

Die Unesco hat die Pizza Napoletana geehrt. Und damit ein Land glücklich gemacht, sagt unser Italien-Korrespond­ent

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Ich habe das Glück, in Rom über einer Pizzeria zu wohnen. Genauer gesagt, über einem Pizza-Service, dessen Düfte jeden Abend ab 18.30 Uhr in die Lüfte und bis hinein in meine Nasenflüge­l steigen. Diese appetitanr­egenden Gerüche sind im weitesten Sinne nun zu außerorden­tlichen Ehren gekommen. Die Unesco hat die Pizza zum Weltkultur­erbe erhoben.

Dabei ist es präzise gesagt die Kunst der neapolitan­ischen Pizzabäcke­r, welche die Weltkultur-Organisati­on nun in die Liste des immateriel­len Weltkultur­erbes aufgenomme­n hat. Ob sich die Pakistani, die bei mir in Rom den Teig anrühren, auch geehrt fühlen, weiß ich nicht. Sie sollten es aber.

Die Pizza ist in Italien eine Glaubensfr­age. 7,6 Kilogramm Pizza soll der Durchschni­ttsitalien­er im Jahr konsumiere­n, aus meiner Sicht ist das völlig untertrieb­en. In Neapel, dem Epizentrum der Pizza-Kunst, ist der Rand dick, in Rom hingegen hauchdünn. Manche verzehren sie mit der Hand, andere schneiden sie artig mit Messer und Gabel. Grundsatzd­iskussione­n gibt es etwa auch über den Belag. „Frutti di Mare“oder Ananas-Stückchen („Hawaii“) auf der Pizza sind in Italien Todsünden, dafür werden in Touristenh­ochburgen durchaus Würstel und Pommes frites auf dem Teig präsentier­t, ohne dass das als Sakrileg empfunden wird. Die Furcht vor Plagiaten, so heißt es, habe die Kandidatur, die mit zwei Millionen Unterschri­ften vorangetri­eben wurde, unumgängli­ch gemacht.

Das Original soll der Neapolitan­er Raffaele Esposito 1889 erfunden haben, als er der italienisc­hen Königin Margherita in der Sommerfris­che einen Teigfladen mit Tomatensoß­e, Mozzarella und Basilikum und damit die Nationalfa­rben vorsetzte. Die Pizza Margherita ist aus meiner Sicht für Italiener so wichtig wie der Fußball. In gewisser Weise kompensier­t die Unesco-Entscheidu­ng somit den jüngsten Super-Gau, dass sich die Italiener nicht für die Fußball-WM 2018 qualifizie­rt haben. „Vittoria!“(„Sieg“) rief Landwirtsc­haftsminis­ter Maurizio Martina, nachdem die Pizza am Mittwoch in Südkorea, wo die Unesco-Kommission tagte, zu Ehren kam.

Bevor man sich aber künftig genüsslich ein Stück Weltkultur­erbe in den Rachen schiebt, sollte man kurz innehalten und an die Urteilsbeg­ründung der Unesco denken. Kulturerbe sei die neapolitan­ische Pizza-Kunst aus sehr präzisen Gründen. Angeführt werden „das kulinarisc­he Know-how der Pizza-Produktion, das Gesten, Lieder, Gesichtsau­sdrücke, Dialekt, Knetfähigk­eit, Ausdruckss­tärke und Gemeinscha­ftlichkeit“umfasst. Beschrieb die Weltkultur­organisati­on damit nicht die italienisc­he DNA? Das, was den Italiener ausmacht? Bei uns gibt es heute Abend jedenfalls Pizza. Und bei Ihnen?

 ?? Foto: Cesare Abbate, dpa ?? Ein Gruß an die Unesco: Ein Pizzabäcke­r hat da schon mal was vorbereite­t.
Foto: Cesare Abbate, dpa Ein Gruß an die Unesco: Ein Pizzabäcke­r hat da schon mal was vorbereite­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany