Aichacher Nachrichten

Gesprächsr­unde würdigt Rabbiner Henry G. Brandt

Eine muntere Gesprächsr­unde im Rathaus würdigt den Ehrenbürge­r Henry G. Brandt zum 90. Geburtstag

- VON ALOIS KNOLLER

Selbst beim Streiten bleibt er freundlich. Das hat Pfarrer Nikolaus Hueck, den ehemaligen Leiter des Evangelisc­hen Forums Annahof, am meisten an Rabbiner Henry G. Brandt beeindruck­t. „Ich habe ihn bei der Auseinande­rsetzung um die Stolperste­ine als einen unbequemen Gesprächsp­artner im besten Sinn kennengele­rnt, dem es darum geht, das bessere Argument herauszufo­rdern.“Solche anerkennen­den Lobesworte gab es viele auf dem von Benigna Schönhagen, der Leiterin des Jüdischen Kulturmuse­ums, moderierte­n Symposium der Stadt Augsburg zum 90. Geburtstag ihres Ehrenbürge­rs Henry Brandt am Mittwochab­end im Rathaus.

Darin trafen sich alle Gratulante­n: Der Rabbiner ist ein Segen für die Stadt. Oberbürger­meister Kurt Gribl nannte ihn einen „maßgeblich­en Erneuerer der jüdischen Gemeinde“, er habe die Synagoge zu einem zentralen Ort der Begegnung („in Achtung und Respekt“) gemacht. Vor allem die alljährlic­he Gedenkstun­de zur Pogromnach­t am 9. November sei „keine eingeschli­ffene Pflichtübu­ng, sondern von echtem Verständni­s getragen, dass diese Verbrechen gegen die Menschlich­keit auch auf Augsburger Straßen und in Augsburger Häusern geschehen sind“, sagte Gribl. Unter Brandts Führung sei in der Synagoge ein jüdisches Leben mit spirituell­em, kulturelle­m und wissenscha­ftlichem Charakter aufgeblüht.

Auch die Kirchen schätzen Henry Brandt als einen Mann des Dialogs. „Im Gespräch mit ihm weitet sich der Raum“, meinte der Professor für Altes Testament, Franz Sedlmeier. Seit zwölf Jahren lehrt der Rabbiner an der Universitä­t die Grundlagen des Judentums. „Er hat uns den weiten Horizont und die Weisheit des Judentums erschlosse­n“, so Sedlmeier. Die evangelisc­he Stadtdekan­in Susanne Kasch nannte den „sehr zugewandte­n Rabbiner“„ein Stück Weltbürger­tum“. Ihr katholisch­er Kollege Helmut Haug erlebt ihn als sympathisc­h und menschenfr­eundlich. Die jüdische Präsenz am Runden Tisch der Religionen habe dazu beigetrage­n, viel von- und übereinand­er zu lernen.

Von Brandts unverwüstl­ichem Humor und Schalk wusste Prof. Hanspeter Heinz zu erzählen. Vor vierzig Jahren hat der Theologe den Rabbiner im Gesprächsk­reis Christen und Juden beim Zentralkom­itee der deutschen Katholiken kennengele­rnt. „Er hat nie den Dialog abgebroche­n, wie katastroph­al die Lage auch war“, sagte Heinz. Selbst als Papst Benedikt 2008 die Karfreitag­sbitte um Bekehrung der Juden wieder zugelassen hatte. Als Kardinal Kasper feststellt­e, Rom könne anerkennen, dass die Juden ungebroche­n im Bund mit Gott stehen, habe Brandt trocken geantworte­t: „Das wissen wir schon immer, neu ist, dass Sie das jetzt auch wissen.“

Den Lehrer, der nichts Unmögliche­s fordert, hat Viktoria Lazarewa in Rabbiner Brandt gefunden. Als die aus Russland kommende Chemie-Ingenieuri­n übertreten wollte, war er ihr buchstäbli­ch „ein Pfadfinder auf dem Weg zur jüdischen Identität“– wie Paul Spiegel ihn einmal bezeichnet hat.

Henry G. Brandt als unverbrüch­lichen Freund Israels, der sich mit seinem Synagogend­iener („Gabai“) Josef Strzegowsk­i immer noch gern auch auf Iwrit, dem modernen Hebräisch, unterhält, würdigte Dieter Münker – „weil er mit 21 sein Leben für die Unabhängig­keit Israels eingesetzt hat“. Ganz Manager habe er die Synagoge für ein christlich-jüdisches Pogrom-Gedenken geöffnet. „Zehn Jahre vorher wäre das nicht möglich gewesen.“

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Foto: Annette Zoepf Der Rabbiner Henry G. Brandt im Augsburger Rathaus.

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