Was Kunden beim Geschenkkauf wollen
Die Augsburger Läden haben es mit einer immer anspruchsvolleren Klientel zu tun. Viele Einzelhändler gehen deshalb nicht nur einen Weg, um Wünsche zu erfüllen
Sinthia Brutscher ist mit ihrer Familie aus dem Ostallgäu gekommen. Eigentlich will sie ausprobieren, ob ihr der Augsburger Christkindlesmarkt gefällt. Doch dann hängen Mutter und Tochter am Samstag spontan eine Einkaufstour für Weihnachtsgeschenke an. Die Ausbeute ist beachtlich: Schmuck, Kleidung, Schuhe, eine Handtasche und Schokolade. „Online kaufen wir nicht so gerne“, sagt die Allgäuerin mit brasilianischen Wurzeln. „Wir wollen die Sachen anfassen und gleich mit nach Hause nehmen.“
Die Brutschers aus Unterthingau bevorzugen den traditionellen Einkauf im Laden. Das ist aber längst nicht mehr die Regel. „Viele Kunden sind auch vor Weihnachten online unterwegs“sagt Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE). Er sieht gerade in dieser Jahreszeit eine große Herausforderung für den stationären Handel, die Kundschaft ins Geschäft zu locken. Zwar werde das Weihnachtsgeschäft immer kürzer, es sei aber nach wie vor einer der wichtigen Umsatzbringer im Jahr.
Prognosen des Verbandes gehen davon aus, dass der Augsburger Einzelhandel in den Monaten November und Dezember in diesem Jahr rund 370 Millionen Euro Umsatz machen wird. Umsatzsteigerungen werde es aber vor allem im Online-Handel geben, sagt Puff. Die Herausforderung für den stationären Handel sei immens. Aber wie stellen sich Geschäfte in Augsburg auf, um der Konkurrenz im Internet standzuhalten? Welche Attraktionen ziehen bei Kunden?
André Heldele ist ein eigenständiger Einzelhändler ohne einen Konzern im Hintergrund. In seinem Geschäft verkauft er Tragesysteme für Kinder und Auto-Kindersitze. Er hat den Markt genau beobachtet und daraus Konsequenzen gezogen. Gestartet sei er mit dem OnlineShop Helden-Tragen, erzählt der Augsburger. Nach einigen Monaten stellte er fest, dass die Nachfrage gut war, viele Kunden die Ware aber gerne vor dem Kauf anschauen wollten und sich auch eine ausführliche Beratung wünschten. Deshalb eröffnete er zusammen mit seiner Tatjana auch noch einen traditionellen Laden. Zuerst ein kleines Geschäft am Oberen Graben, dann ein größeres an der Jakoberstraße.
„Der Kunde muss auf jedem Weg zu uns kommen können“, erläutert Heldele seine Strategie. Deshalb sei er geschäftlich sowohl online als auch stationär präsent. Von einem Sektor alleine könnte er nicht leben und die Doppelstrategie zahle sich für ihn aus. Um der Kundschaft vor Weihnachten gute Laune zu ma- bietet er zusätzlich Gewinnspiele oder kleine Rabattaktionen an.
Online-Shop und Laden: Dass Einzelhändler heute beides bieten müssen, davon ist man auch im Augsburger Textilhaus Rübsamen überzeugt. Denn viele Kunden nützen mittlerweile beide Bereiche. „Da wächst was zusammen und die Gruppe wird immer größer“, beobachtet Geschäftsführer Marcus Vorwohlt. Es gebe Käufer, die sich zuFrau
erst im Internet informieren und dann im Geschäft kaufen. Andere suchen im Laden nach einem Kleidungsstück, das ihnen gefällt, und bestellen dann online die passende Größe oder ein bestimmtes Stoffmuster nach Wahl – etwa bei Herrenhemden.
Vorwohlt kündigt an, dass der Online-Shop von Rübsamen im kommenden Jahr weiter verbessert werden soll. Im Weihnachtsgeschäft will er aber vor allem mit emotionachen, len Einkaufserlebnissen Kunden ins Modehaus locken. Dazu zählt eine Winterdekoration mit viel Holz und kleinen Lichtern im skandinavischen Stil, die Behaglichkeit ausstrahlt. Nach Vorwohlts Erfahrungen wollen Kunden im stationären Handel aber auch eine Warenqualität, die sich gut anfühlt, und sind sehr dankbar für gute Beratung. „Das Internet spricht nicht“, sagt er. Und: Je näher Weihnachten rückt, desto öfter werde in den Geschäften auch der Verpackungsservice für Geschenke in Anspruch genommen.
Der deutsche Buchmarkt ändert sich ebenfalls radikal. „Der Verbraucher wird in seinen Wünschen immer anspruchsvoller“, sagt Claudia Bachhausen, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Thalia. Deshalb ist das große Unternehmen auch in Augsburg auf allen Handelskanälen unterwegs, um Bücher an den Kunden zu bringen.
Thalia setzt beispielsweise auf eine App, mit der Kunden ihren „Lieblingsbuchhändler“auswählen und diesem online folgen können. Damit soll die Beratungskompetenz aus dem stationären Geschäft in den digitalen Bereich übertragen werden. Das örtlich begrenzte Büchersortiment im Laden wird durch mehr als zwei Millionen verfügbare eBook-Titel ergänzt, die auch unkompliziert verschenkt werden können. Parallel zu den Online-Aktivitäten habe das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr zehn neue Buchläden in Deutschland und Österreich eröffnet, so Sprecherin Claudia Bachhausen. „Das stationäre Geschäft ist für uns ein wichtiges Standbein“, um als Marke sichtbar zu sein.“
Wolfgang Puff vom Handelsverband beschreibt die aktuelle Entwicklung mit dem Fachbegriff „Omni-Channel“. Gut aufgestellte Unternehmen setzen danach nicht nur auf das stationäre Geschäft, sondern auch auf Online-Versand. Für Familie Brutscher aus dem Ostallgäu ist aber gerade beim Einkauf von Weihnachtsgeschenken auch ein stimmungsvolles Stadtbild wichtig. Der Christkindlesmarkt sei wunderschön, sagen sie bei ihrem ersten Besuch in Augsburg. „Nächstes Jahr wollen wir wiederkommen.“
Weihnachten ist der wichtigste Umsatzbringer