Gedanken eines 96 Jährigen zum Thema Heimat
Heimat – was bist du – wo bist du, fragen sich immer wieder die Heimat vertriebenen. Vor sieben Jahrzehnten war es noch das Vaterland. Vergessen wir es, denn die Liebe und Treue zu ihm führte Millionen Menschen in den Tod! Mutterland wäre das Wahre gewe sen – von den Müttern zur Welt ge bracht und mit Liebe in eine Lebensform hineingewachsen, die ein „Dahoam ist dahoam“vermittelt und in der es sich zu leben lohnt. Aber Heimat wurde auch ideologisch zu „Blut und Boden“geadelt und verehrt.
Die Stadtleute mit den Industriearbei tern haben sich mit diesem Begriff viel leichtergetan, denn ihr Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten konnte man ihnen nicht rauben. Nach der schweren Hungerszeit und der gelungenen Währungsreform brachten sie ihr Können voll ein und fühlten, dass sich hier ein neues Heimatgefühl in Freiheit anbahnte. Jetzt konnte man die Zukunft wieder selbst gestalten, ein Hobby haben und in Vereinen aktiv an einer sportlichen oder gesellschaftli chen Wiederbelebung der Gemein schaft teilhaben. Die Identität des Den kens und Erlebens im Verbund mit ei nem Fleckchen Erde – dies ist dann wie der Heimat, in der immer noch die gleichen Sterne strahlen, die man einst besungen hat!
Anders war es beim Bauernvolk! Hier lebte man auf einer Scholle, die die Urahnen kraftvoll aus der Wildnis gero det haben, mit der man verwachsen, verwurzelt war – ein wahres Stückchen „Ich“, das Heimat ist! Wo schon Kin der die Natur, das Wachsen vom Korn bis zur Ähre täglich erlebten und frühzeitig merkten, dass es ohne Was ser kein Leben gibt. Für sie war die Vertreibung „verlorenes Leben“! Sie konnten mit der Demokratie nichts anfangen – sie wurden Knechte – für die es keine Gewerkschaft und keine geregelte Arbeitszeit gab. Sie wussten auch: „Ein Knecht bleibt immer Knecht“.
Da sie auch kirchlich stark geprägt waren, war dies im Verbund mit der Scholle „verlorenes Paradies“! So fuhren sie dann öfter heim, bekamen Kon takt mit den neuen Besitzern und der Kirche, die schon am Verfallen war. Für sie war es immer noch Heimat, und so spendeten sie für Gott und Heimat, damit „das heilige Haus“wieder zum Strahlen kam. Hier ist das Heimatge fühl noch infrage gestellt und wird erst wieder voll entstehen – wenn Opa nicht mehr weiß, dass sein Vater Bauer war?!
Dass Heimatvertriebene und Heimat verbliebene zusammengewachsen sind, wird erst sichtbar, wenn die Bürger nicht mehr sehen und wissen, dass Bürgermeister und Landrat Söhne von Vertriebenen sind!
Absolute Spitze ist dann aber, wenn ein ehrenamtlicher Sportsmann die ses Kreises den TSV Aichach als Präsi dent in jahrzehntelanger harter Arbeit zu einer nie geahnten Höhe führt – ja zu einem Unternehmen macht, das al lein dem Volke dient und lupenrein eh renamtlich geführt wird. Diese ge brachte Leistung ist keine Selbstver ständlichkeit und sollte wahrhaftig hoch geehrt werden, da sie den Heran wachsenden das Heimatgefühl stärkt!
Eine Heimat kostet nichts – aber man muss sie pflegen und erhalten damit sie auch zum „Dahoam“, zur höchsten Stufe der Zufriedenheit, zum wahrli chen „Dahoam is dahoam“wird! Dazu könnte man dann aus der Europa hymne, Schillers Ode an die Freude, vier Zeilen mit nur einem geänderten Wort, zitieren:
„Ja, wer auch nur eine Heimat sein nennt auf der Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund!“