Todesspritze für Demenzkranke?
Debatte in den Niederlanden
Groesbeek Nur ein einziges Mal hat der niederländische Hausarzt Jaap Schuurmans, 56, einer dementen Patientin die Todesspritze gesetzt. Ob er es noch einmal machen würde? Das kann er nicht sagen. „Ich bin nicht stolz darauf“, betont Schuurmans in seiner Praxis in Groesbeek, einem Städtchen mit 20000 Einwohnern nahe der Großstadt Nimwegen im Osten Hollands. Seit 2002 ist aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legal. Dabei gelten folgende Kriterien: Das Leiden muss „unerträglich“sein und der Patient ohne Lebensperspektive. 2015 gingen 4,5 Prozent aller Todesfälle in den Niederlanden auf aktive Sterbehilfe zurück. 2016 wählten 6091 Menschen den Tod durch die Spritze, 141 davon litten an Demenz.
Die Zahlen wachsen seit Jahren. Schuurmans und viele andere Mediziner in den Niederlanden finden das aber bedenklich. Denn Menschen mit fortgeschrittener Demenz könnten gar nicht mehr die Entscheidung zum Sterben treffen. Auch wenn sie es vorher schriftlich erklärt hätten, könne sich der Arzt nicht sicher sein, ob der Patient seine Meinung in der Zwischenzeit nicht geändert habe, so Schuurmans.
Zusammen mit 500 anderen Ärzten machte er in diesem Jahr mit einer Kampagne auf das Problem aufmerksam. Schuurmans fordert, dass auch andere Optionen für das Lebensende in den Blick genommen werden wie die Pflege zu Hause oder im Heim. Heutzutage könnten Schmerzen gelindert werden und auch demente Menschen ein erträgliches, sogar glückliches Leben führen.
In 85 Prozent der niederländischen Sterbehilfefälle gab 2016 ein Hausarzt die Todesspritze. Es sei etwas so Persönliches, dass in der Regel der Arzt, der den Patienten am besten kennt, die finale Injektion vornehme, heißt es. Doch viele angehende Hausärzte seien überfordert mit dieser Situation. In Deutschland und Österreich ist aktive Sterbehilfe nach wie vor verboten – und kann mit fünf Jahren Haft bestraft werden.