Ein wahres Kino-Wunder
Mag die Zentralisierung im Kino-Geschäft auch weiter zunehmen und mögen in Deutschland 2017 über 70 Prozent des Umsatzes auf 20 Filme entfallen sein – es gibt sie trotzdem noch, die kleinen Wunder. Wie Marcus H. Rosenmüllers „Wer früher stirbt, ist länger tot“mal eines war. Nur ist das aktuelle noch viel wundersamer.
Es heißt „Weit“, wurde von keinem Filmstudio verantwortet, von keinem Regisseur gedreht, hatte keinen Filmverleih, wurde nicht beworben. Und es war 2017 nicht nur der erfolgreichste Dokumentarfilm in Deutschland, sondern auch erfolgreicher als „Lommbock“oder „Gregs Tagebuch“, als „Resident Evil“oder „Geostorm“und nur knapp hinter dem letztjährigen Oscar-Sieger „Moonlight“und Fatih Akins „Aus dem Nichts“. Über 400 000 Zuschauer haben „Weit“bislang gesehen und bald ein Jahr nach der Premiere läuft er noch immer in vielen kleinen Kinos.
Es begann damit, dass ein Pärchen aus den Aufnahmen von einer dreieinhalbjährigen Weltreise einen Film machte und diesen Freunden in Freiburg zeigte. Patrick Allgaier und Gwendolin Weisser waren also Hauptdarsteller, Produzenten, Regisseure… – das Marketing besorgte dann allein die Begeisterung von Mund zu Mund und im Netz. Die Zauberformel dieser 129 Minuten im herrschenden Spektakelkino lautet: Authentizität. „Die Geschichte von einem Weg um die Welt“nämlich kennt keine Inszenierung, strebt aber auch keine Tiefe an, sondern bildet – 100 000 Kilometer immer ostwärts – einfach unmittelbar das Leben ab. Das größte Abenteuer ist auch nicht gefährlich, sondern: dass Allgaier/ Weisser dabei Eltern werden.
Man muss das ja nicht super finden. Aber doch hübsch, dass – nach Millionen Diavorträgen und mit Erlebnisberichten vollgefaselten „sozialen Netzwerken“– ausgerechnet sowas zum Wunder wird.