Wie sich Kriminalität ins Internet verlagert
Die Täter erpressen Unternehmen oder legen Server lahm. Wenn sich Delikte im Netz abspielen, ist die Arbeit für Ermittler oft schwer. Doch zuletzt wurden hier zwei Männer verurteilt, die Opfer abgezockt hatten
Wer Interesse daran hat, Schuhe im Internet zu kaufen, braucht nicht lange zu suchen. Diverse OnlineVersandhändler buhlen im Netz um die Gunst der Kunden – mit Schnäppchen oder großem Angebot. Vor einigen Jahren tauchte kurzzeitig ein weiterer vermeintlicher Mitbewerber auf: „Schuburner“nannte sich die Seite. Noch heute lassen sich online Erfahrungsberichte von Betroffenen finden, die dachten, dort endlich die Sneaker entdeckt zu haben, nach denen sie zuvor lange gesucht hatten. Große Produktpalette, günstige Preise: Der Versandhändler schien kundenfreundlich. Er war das genaue Gegenteil. Kein seriöses Unternehmen, sondern eine Abzockmasche. Die Betreiber waren nicht an der Zufriedenheit der Kunden interessiert, sondern nur an deren Geld. Ware gab es nach der Bezahlung nämlich nicht. Es handelte sich um einen „Fake-Shop“, ein Betrugsmodell im Internet. Der Laden, der sich dort präsentierte, war nicht real.
In dieser Woche nun sind vor dem Augsburger Landgericht zwei Männer verurteilt worden, die für solche Internetseiten verantwortlich gewesen sein sollen. Die beiden 31-Jährigen müssen ins Gefängnis; einer wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, der andere zu zwei Jahren und acht Monaten. Es ging jeweils um dutzende Betrugsfälle.
Dass es zu dem Prozess kommen konnte, lag an umfangreichen Ermittlungen der Augsburger Kriminalpolizei. Das Verfahren, sagt Klaus Ruoff, habe sich von anderen abgehoben. Rund eineinhalb Jahre Ermittlungsarbeit habe sicherlich dringesteckt. Ruoff ist stellvertretender Leiter eines Kommissariats bei der Augsburger Kripo, das sich mit Kriminalität im virtuellen Raum befasst und seit 2015 existiert. Etwa 20 Mitarbeiter hat das „K11“, wie es bei der Polizei genannt wird.
Die Beamten haben spezielle Kenntnisse, auch Informatiker gehören zum Team. Die Polizisten unterstützen ihre Kollegen anderer Kommissariate – schließlich gibt es für fast alle Straftaten eine Ermittlungsspur im Internet. Sie nehmen sich aber auch der Fälle an, die sich vorrangig im Internet abspielen. So- DDoS-Attacken etwa: gezielte, massenhafte Aufrufe einer Seite oder eines Servers mit dem Ziel, das System lahmzulegen. Unternehmen werden so beispielsweise geschädigt, wenn Angestellte durch die Attacke nicht arbeiten können. Manchmal werden Betroffene nach einem solchen Angriff auch erpresst.
Oder Anrufe von angeblichen Microsoft-Mitarbeitern, die ihren Opfern vorgaukeln, dass ihre Computer virenverseucht seien. Die Anrufer behaupten gerne, dass sie helfen könnten, wenn man ihnen per Fernwartungssoftware Zugriff auf das System gewähre und sie online über spezielle Dienste bezahle. Erst gestern meldete die Polizei wieder zwei solcher Betrugsfälle in Augsburg, in einem davon wurde eine Frau um einen dreistelligen Betrag gebracht. „Da bekommen wir täglich Anzeigen rein“, sagt Ruoff. Die Täter bearbeiten ihre Opfer oft stundenlang am Telefon, die Ermittlungen sind schwierig. Nicht nur in solchen Fällen. Betroffene mögen in Augsburg leben, doch die Täter, die im Internet agieren, sagt der Kriminalhauptkommissar, sitzen oft im Ausland. Will die Polizei dort Unterstützung von Kollegen bekommen, kann das dauern, sofern es überhaupt klappt. Auch agieren die Täter meist aus der Anonymität heraus, wie auch jene Männer, die nun für die gefälschten Internetseiten verurteilt wurden.
Sie gingen mit großem Aufwand vor. So meldeten sie die Seiten auf Menschen an, die nicht existierten. Telefonnummern führten ins Nirgendwo; E-Mail-Adressen liefen auf Namen von Personen, die es nicht gab. Die Täter nutzten Computerserver im Ausland, gaben falsche Personalien an und eröffneten auch bei deutschen Banken Konten unter falschem Namen.
Doch einige Spuren, welche die Seiten damals, zwischen März 2013 und Februar 2014, hinterließen, führten die Polizei in den Augsburgenannte ger Raum. Die Beamten ermittelten rund 2000 Opfer. Angeklagt waren die beiden Männer aus der Region schließlich wegen dutzender Seiten. Auf ihnen wurden Elektroartikel, Hardware für Computer, Medikamente und auch Dopingmittel wie Anabolika angeboten. Das Gericht sah es am Ende im Fall von vier der gefälschten Seiten als erwiesen an, dass die beiden 31-Jährigen sie erstellt und betrieben hatten. Beide Angeklagten hatten die Vorwürfe bestritten. Einer stellte sich als Handlanger eines anonymen Nutzers eines Online-Forums dar, der andere wies von sich, Fake-Shops erstellt oder betrieben zu haben.
Verteidiger Klaus Rödl forderte ein Jahr Haft auf Bewährung wegen Geldwäsche für seinen Mandanten, Verteidiger Dominik Hofmeister einen Freispruch für den anderen Angeklagten. Das Gericht glaubte den Schilderungen der Angeklagten allerdings nicht. Claus Pätzel, Vorsitzender Richter der 1. Strafkammer, sagte, die beiden hätten eine „enorme kriminelle Energie“besessen, es handele sich um einen „groß angelegten Betrug“. Um ihn aufzuziehen, die täuschend echt aussehenden Seiten etwa in Windeseile bauen zu können, benötigten die Angeklagten durchaus Fähigkeiten. Warum man nicht versuche, damit auf legalem Wege etwas zu tun, erschließe sich nicht, sagte Pätzel.