Ein Haus für Frauen und Kinder
Das Josefinum in Augsburg zählt zu den größten Entbindungskliniken Deutschlands. Längst bietet die Einrichtung aber viel mehr als Geburtshilfe
Augsburg Schwester Engeltraud war eine Institution. Eine Pionierin. Denn Schwangerschaftsgymnastik war Anfang der 70er noch nicht weit verbreitet. Die Schwester des Klosters Maria Stern aber bot schon damals werdenden Müttern Kurse zur Geburtsvorbereitung an. Anneliese Müller kann sich noch gut an sie erinnern. Die 46-Jährige schwärmt von der Zeit, als noch mehrere Klosterfrauen im Josefinum tätig waren. Sie vermittelten ihr ein besonderes Gefühl der Geborgenheit. Doch auch heute zeichnet ihrer Einschätzung nach die Klinik in AugsburgOberhausen, die ihr 100-jähriges Bestehen feiert, eine besondere familiäre Atmosphäre aus.
Anneliese Müller brachte vor 17 Jahren im Josefinum Tochter Selina zur Welt. Selina wiederum wurde am 27. Februar ebenfalls im Josefinum stolze Mutter des kleinen Pascal. Und beide schwören auf Mirela Ziaja als Hebamme. Mirela Ziaja erlebt es öfter, dass Mutter und Tochter das Josefinum als Geburtsklinik wählen. Die 53-Jährige arbeitet seit 1991 als Beleghebamme dort und bringt eine 30-jährige Berufserfahrung
Wunschhebammen gibt es nicht mehr viele
mit. Sie gehört zu den wenigen Wunschhebammen im Josefinum, wo im Jahr im Schnitt 3000 Kinder zur Welt kommen. Das heißt, werdende Mütter wählen Mirela Ziaja und haben sie dann als feste Ansprechpartnerin von der Schwangerschaft bis zur Geburt. Ein System, das nach Einschätzung von Ziaja langsam ausstirbt, da sich die Arbeitsbedingungen der Hebammen stark verändert haben und Hebammen fehlen.
1957 wurde die Entbindungsklinik eröffnet. Bis heute sind dort nach Angaben des Josefinums über 150 000 Kinder zur Welt gekommen. Damit zähle das Josefinum zu den größten Entbindungskliniken Deutschlands. Doch das Josefinum ist längst nicht mehr nur Entbindungsund Frauenklinik. Es entwickelte sich auch zu einer hoch spezialisierten Fachklinik für Kinderund Jugendmedizin. Oberarzt Dr. Christian Uebler ist einer der Experten. Sein Schwerpunkt ist die Schlafmedizin. „Unser Kinderschlaflabor hebt uns in der Kliniklandschaft durchaus hervor“, sagt er. Auch zeichne das Josefinum der Bereich stationäre Psychosomatik und stationäre Sozialpädiatrie aus. Letzteres berücksichtigt vor allem die äußeren Einflüsse auf die Ge- und Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Und auch der Bereich Kinderneurologie sei besonders stark.
Dritte Säule des Josefinums, das insgesamt 388 Betten bietet, ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Gerade im Bereich der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nimmt der Bedarf nach stationären Behandlungsmöglichkeiten zu, erklärt Oberarzt Simon Mayer. „Viele Jugendliche kommen mit komplexen Krankheitsbildern zu uns“, sagt er. „Unter anderem verfügen wir über eine sehr große Kompetenz bei Autismus-Erkrankungen“, betont er und ergänzt: „Wir sind aber auch deutschlandweit eine der wenigen Kliniken, die eine eigene Fachabteilung für Jugendliche haben, die Probleme der Gefühlsregulation, wie zum Beispiel selbstverletzendes Verhalten haben.“
Was beide Ärzte schätzen, ist die soziale Ausrichtung des Hauses, das Außenstellen in Nördlingen und Kempten hat und insgesamt rund 1200 Mitarbeiter zählt. Schließlich ist die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg der Träger. Die Sorge um die Menschen, vor allem um die Kinder, führte zur Gründung des Josefinums. 1916 taten sich ein Lehrer und der Stadtpfarrer im Augsburger Stadtteil Oberhausen zusammen, um einen Krippenverein ins Leben zu rufen. Zwei Jahre später wurde eine Krippentagesstätte eröffnet, die sich im selben Jahr zum Säuglingsheim wandelt. Der Heilige Josef ist der Schutzpatron – 1952 wurde daraus der offizielle Name Josefinum.
Zwei Ordensschwestern des Klosters Maria Stern übernehmen zu Beginn die Betreuung der Kinder. Über die Jahrzehnte prägen die Sternschwestern das Josefinum. Doch 2016 wurde die letzte verabsundheit schiedet. Eine Ära ging zu Ende. Schwester Simone kann sich noch gut daran erinnern. Sie gehörte zu den letzten Sternschwestern, die im Josefinum aktiv waren. 45 Jahre arbeitete und lebte sie dort, war Oberin des Konvents. Zuletzt war sie am Empfang bei der Patientenaufnahme tätig. Im Josefinum machte sie auch ihre Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Doch der Rückzug der Sternschwestern war unumgänglich, erzählt sie. Die Schwestern waren im Rentenalter. Nachwuchs fehlt ihnen. „Dass der Abschied nicht leicht wird, war uns Schwestern klar.“Zu den Glanzzeiten in den 70er Jahren waren 46 Sternschwestern in allen Bereichen aktiv. Schwester Corona, die langjährige Pflegedirektorin ist im Februar gestorben. Schwester Engeltraud starb 2007 mit 101. Doch gerade auch an sie können sich noch heute viele Frauen erinnern.