Auf welchen Wegen dürfen Radler fahren?
Die Klage eines Kühbacher Waldbesitzers gegen einen Aichacher Mountainbiker stößt auf großes Interesse. Es geht um eine alte Streitfrage. Ein Kompromiss ist gescheitert, jetzt wird verhandelt
Aichach Ob die Mountainbiker nach der Verhandlung am 17. April im Aichacher Amtsgericht mit einer konkreten Antwort nach Hause radeln können, ist noch offen. Eine Entscheidung im Zivilstreit zwischen dem Kühbacher Brauereiund Waldbesitzer Umberto von Beck-Peccoz und einem Radler aus Aichach wird es dann aber zumindest geben. Und die interessiert nicht nur den Beklagten, sondern Hobbysportler aus der Region und weit darüber hinaus. Denn in der Verhandlung geht es im Kern um eine Streitfrage, über die diskutiert wird, seit grobstollige Räder bergund geländegängig sind: Auf welchen Wegen im Wald dürfen Biker fahren? Auf „geeigneten“heißt es so schön im Naturschutzgesetz – aber welche Wege sind denn „geeignet“?
Beim Gütetermin im September deutete noch vieles darauf hin, dass sich der Streit über das Befahren von Wegen im Kühbacher Forst „gütlich“aus der Welt schaffen lässt. Jetzt teilte Richterin Daniela Lichti-Rödl, Pressesprecherin des Aichacher Amtsgerichts, aber mit, dass der beklagte Radler den Vergleich nicht annimmt. Nun wird in diesem Zivilprozess wieder verhandelt und wenn sich die Parteien dabei nicht einigen, wird das Gericht über die Klage entscheiden, so Lichti-Rödl.
Von Beck-Peccoz, einer der größten Privatwaldbesitzer im Wittelsbacher Land, hatte, wie im Herbst bei Gericht besprochen, seinen Antrag konkretisiert. Auf einer Revierkarte des Kühbacher Schlossgutes wurden die Grundstücke gekennzeichnet, auf denen der Radler nicht unterwegs sein darf. Auf einer beigefügten Karte wurden auch die Straßen und Wege markiert, wo Fahrradfahren erlaubt ist. „Hilfsweise“, so das Gericht, beantragte der Kläger, dass der Radler in einer Unterlassung erklärt, zwölf sogenannte Rückegassen (werden zur Waldbewirtschaftung genutzt) nicht mehr zu befahren. Auch diese „Wege“sind jetzt auf einer Karte markiert, darunter auch die Rückegasse, die den Streit auslöste. Beim Gütetermin war Richter Axel Hellriegel die Klage noch zu unbestimmt.
Der steuerte damals in diesem verzwickten Fall durch den dunklen Tann, Dickicht und Lichtungen auf den verschiedensten Wegen: Im Wald gibt es neben den regulären Forstwegen nämlich auch bewirtschaftete Wege, befahrene und befestigte Rückewege, Pirschpfade, Schleichwege und noch mehr. Der beklagte Radler war Ende 2016 auf einem vom Eigentümer gesperrten „Weg“im Wald unterwegs und dort in eine von einem „Radlhasser“vergrabene Nagelfalle geradelt – ein Stock mit einer drei Zentimeter langen Metallspitze. Der Radler wird zum Glück nicht verletzt, der Reifen ist platt. Der Waldbesitzer distanzierte sich zwar von der Falle, forderte von dem Radler aber eine Unterlassungserklärung – bei Zuwiderhandlung soll eine Vertragsstrafe von 10 000 Euro fällig werden. Der wiederum verweigerte unter Berufung auf das in der Bayerischen Verfassung garantierte Betretungsrecht im Wald die Unterschrift unter der Unterlassungserklärung.
Nachdem Richter Hellriegel angedeutet hatte, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte, deutete sich damals ein Kompromiss an: Der Mountainbiker meidet rund ein Dutzend mit Schildern gesperrter Wege. Und Beck-Peccoz legte detailliert nach. Die Klage sei jetzt vertretbar, signalisierte das Gericht im November. Der Vorschlag: Wenn der Radler anerkennt, diese „Gassen“nicht mehr zu befahren und der Kläger die Verfahrenskosten übernimmt, endet der Streit. Doch darauf ließ sich der Mountainbiker nicht ein.
Er will sozusagen eine Klärung der Grundsatzfrage. Straßen und Wege im Staats- und Privatwald dürfen von allen genutzt werden: ob Wanderer, Radler oder Pilzsucher. Das sichert die Verfassung des Freistaats den Bürgern zu. Aber was sind befahrbare und nutzbare Wege? Was ist der Unterschied zwischen befahrbaren, weil befestigten, Rückewegen und unbefahrbaren, weil selten bewirtschafteten und nicht befestigten, Rückegassen? Oder anders ausgedrückt: Wann wird eine Schneise zur Forstbewirtschaftung im Wald zu einem Weg und darf damit von Bikern befahren werden?
Diese Waldmaterie sorgte überregional für große Aufmerksamkeit. Denn Ärger zwischen Fußgängern, Waldbesitzern und QuerfeldeinRadfahrern gibt es nicht nur im Wittelsbacher Land, sondern fast überall – besonders in den Alpen und im Schwarzwald eskaliert der Streit. Es werden Äste, Wurzeln und Pflöcke mit spitzen Schrauben oder Nägeln präpariert. Radler sollen sogar mit Steinen beworfen worden sein, Drahtseile werden gespannt. Die Entscheidung im Aichacher Gericht wird den Konflikt nicht lösen. Vielleicht wird dann aber klarer, wann ein Radler auf dem Waldweg und wann er auf dem „Holzweg“unterwegs ist.