Messerstich in der Geisterstunde
Während einer Halloweenparty kam es 2016 zu einem ungewöhnlichen Zwischenfall, bei dem Blut floss. Im Gerichtssaal kommt es zu einer Lösung, mit der alle Beteiligten einverstanden sind
Halloween, die Nacht zu Allerheiligen, 1. November, ist auch das Fest der Geister, Gespenster und Hexen. Bei einer Gruselparty an Halloween 2016 in der Kradhalle im Kulturpark West wurde aus einer KostümGaudi plötzlich bitterer Ernst. Es floss richtiges Blut. Ein skurriler Vorfall, der jetzt bei einem Prozess vor Amtsrichter Thomas MüllerFroelich ein juristisches Nachspiel hatte – mit einem durchaus versöhnlichen Ende.
Rund 120 Gäste hatten sich in jener Nacht zu der Kostümparty unter dem Motto „Braveheart“eingefunden – Titel eines Kinofilmes, in dem der schottische Held William Wallace den mittelalterlichen Freiheitskampf der Schotten gegen die Engländer führt. Verkleidung und Ausrüstung der Partygäste waren den historischen Protagonisten nachempfunden. In der Kradhalle war es anlassgemäß ziemlich dunkel, die Musik gut, die Stimmung bombig. Am Rande der Tanzfläche unterhielt sich kurz nach Mitternacht – in der Geisterstunde – ein Lehrer, 29 Jahre, mit der Ehefrau eines Kaufmannes. Man witzelte auch über ein harmloses Messer aus Schaumstoff, das der Lehrer bei sich trug. Da rief die Frau ihrem Ehemann zu: „Schatzi, zeig doch mal, was ein richtiges Messer ist.“
Der Kaufmann im Schottenrock, 38 Jahre, folgte der Aufforderung seiner Liebsten, zog ein echtes historisches Jagdmesser aus seinem Kostüm und ging oder torkelte damit einen Schritt auf den Lehrer zu, verschätzte sich aber möglicherweise im Halbdunkel in der Distanz und stach dem Partygast mit der 12,5 Zentimeter langen, sehr scharfen Klinge in den rechten Oberschenkel. Die Folge: eine fünf Zentimeter tiefe Stichwunde, aus der in Sekundenschnelle ziemlich viel Blut floss.
Die relativ tiefe Verletzung, die sogleich hinter der Bar notdürftig verbunden wurde, war Anlass für die Staatsanwaltschaft, von einem absichtlichen Stich, also einer gefährlichen Körperverletzung (Mindeststrafe sechs Monate) auszugehen. Am Ende der Verhandlung stand freilich eine andere juristische Bewertung. Der angeklagte Kaufmann (Verteidiger: Sascha Schnarr), der sich gleich zu Prozessbeginn nochmals entschuldigte, konnte sich den Stich mit dem Jagdmesser selbst nicht erklären. „Ich hatte damals schnell und ziemlich viel Apfelwein und Whisky getrunken. Irgendwie muss ich ihn mit dem Messer erwischt haben. Als er ,Aua‘ sagte, war ich völlig perplex. Und als ich dann das Blut sah, dachte ich erst, das sei Kunstblut“, erinnerte sich der Angeklagte.
Das Opfer konnte sich den Zwischenfall ebenfalls nicht erklären: „Es hat plötzlich gepikst, und dann habe ich gespürt, wie das Blut an meinem Bein hinabgelaufen ist.“Die eigentliche Stichbewegung hatte in der schummrigen Beleuchtung niemand gesehen. Der Lehrer hatte den Messerstich erst am folgenden Tag bei der Polizei angezeigt. Erst aufgrund von Fotos der Party auf Facebook konnte der Angeklagte ermittelt werden.
Da sich im Prozess keine Anhaltspunkte für einen vorsätzlichen Angriff ergaben, kam es zu einer salomonischen Lösung des skurrilen Falles: Richter Thomas MüllerFroelich stufte die Tat lediglich als fahrlässige Körperverletzung ein. Das Verfahren wurde wegen „geringer Schuld“ohne Urteil eingestellt. Allerdings mit einer Auflage: Der Angeklagte muss dem Opfer ein Schmerzensgeld von 2000 Euro bezahlen. Damit waren alle Beteiligten einverstanden.