So teuer ist die Schulreform
Für die Rückkehr zum G9 braucht Bayern 1000 neue Lehrer. Mancherorts müssen zusätzliche Schulhäuser gebaut werden. Und die große Frage ist: Wer soll das bezahlen?
Augsburg Ein Jahr bewegte sich am neuen Gymnasium in Mering kein Bagger und keine Betonmischmaschine. Denn mitten in Bauphase zwei des Gebäudes im Landkreis Aichach-Friedberg erreichte das Hin und Her um eine Reform des bayerischen Gymnasiums seinen Höhepunkt. Und solange nicht klar war, ob Bayerns Gymnasiasten künftig wieder neun Jahre lernen, wollte dort natürlich keiner ein Gymnasium bauen, in dem nur acht Jahrgangsstufen Platz haben.
Jetzt ist das G9 zurück, in Mering wieder Betrieb auf dem Bau. Über der Mensa entstehen drei weitere Klassenzimmer und Nebenräume für die zusätzlichen G9-Schüler. Das Gesamtprojekt – Kostenschätzung: 31 Millionen Euro – verteuert sich voraussichtlich um drei Millionen.
Was die Schulreform in ganz Bayern kostet, das lässt sich im Moment nur schätzen. Die Personalkosten jedoch kann man schon jetzt seriös beziffern. Mit einem gymnasialen Zusatzjahr braucht es an staatlichen Schulen rund 1000 neue Lehrerstel- len. Sie sollen zum Schuljahr 2025/2026 geschaffen werden, wenn der erste Jahrgang mit dem 13. Schuljahr beginnt und damit erstmals wieder neun statt acht Jahrgänge unter einem Dach lernen. Das Gehalt der neuen Lehrer kostet den Freistaat nach Angaben des Kultusministeriums „voraussichtlich rund 100 Millionen Euro pro Jahr“.
Ein großer Unsicherheitsfaktor sind hingegen die nötigen Baumaßnahmen. Das Ministerium rechnet damit, dass Erweiterungs- und Neubauten für die Reform „einmalig grob geschätzt rund 500 Millionen Euro“kosten. Viel zu niedrig kalkuliert, sagen Vertreter des Städtetags. Schon bevor der Landtag die Rückkehr des G9 im Dezember 2017 endgültig beschloss, hatte der Verband eigene Schätzungen vorgelegt. Man müsste demnach mindestens 600 bis 700 Millionen Euro in die Gymnasien investieren.
Denn wie in Mering brauchen reihenweise Schulhäuser mehr Klassenzimmer. Die Metropole München benötigt voraussichtlich sogar drei komplett neue Schulen, in Nürnberg ist es eine. Denn im dicht bebauten Stadtgebiet fehlt schlicht der Platz, um bestehende Schulge- bäude zu vergrößern. Aber wer zahlt was und wie viel?
Das ist die Frage, die Politiker in der Landesregierung und an den Stadtspitzen entzweit, selbst wenn sie derselben Partei angehören. Denn eigentlich sind die Kommunen für den Erhalt ihrer Schulbauten zuständig, die Landesregierungen für die Inhalte des Lehrplans. Doch wenn eine Regierung Städten und Gemeinden eine Maßnahme sozusagen aufs Auge drückt – zum Beispiel eine Schulreform –, dann kommt das sogenannte Konnexitätsprinzip ins Spiel.
Achim Sing, Sprecher des bayerischen Städtetags, übersetzt die Regelung gegenüber unserer Zeitung so: „Wer anschafft, soll auch bezahlen.“Sein Spitzenverband fordere deshalb, dass der Freistaat die Baukosten komplett übernimmt. Aus dem Kultusministerium kommt dazu bisher kein eindeutiges „Ja“. Bei jeder Baumaßnahme wird demnach geprüft, welcher Anteil daran „G9-bedingt“ist. Dieser werde „nach den Grundsätzen des Konnexitätsprinzips ausgeglichen“. Wie der Freistaat und die Kommunen sich die Kosten aufteilen oder ob das Land gar doch alles zahlt, dürfte in den nächsten Monaten fertig verhandelt werden.
Aber warum sind die Schulen plötzlich zu klein? Sie beherbergten doch vor dem G8 auch neun Jahrgänge? Erstens sind die Übertrittszahlen ans Gymnasium gestiegen. Im Schnitt 40 Prozent der Grundschüler wechseln heute nach der 4. Klasse dorthin. Klassen werden zudem früher geteilt, Differenzierungsstunden in kleinen Gruppen sind fester Bestandteil des Lernkonzepts. Dafür braucht es Räume.
Weit kleinere, aber ebenso strittige Posten in der Finanzierung der Schulreform: Wer zahlt Busse und Bahntickets, mit denen Jugendliche zur Schule fahren? Und wer kommt für die neuen Schulbücher auf, die für den überarbeiteten Lehrplan nötig sind? Beides übernehmen bisher vorwiegend die Träger der Schulen.
Am Ende werden Staat und Kommunen das unter sich ausmachen. Die gute Nachricht: Für Eltern in Bayern sollen keine Zusatzkosten entstehen.
Städtetag: „Wer anschafft, soll auch bezahlen.“