Tanz im Zeitalter der Technologie
Wayne McGregor am Münchner Staatsballett
München Genetischer Code und Herzfrequenz, künstliche Intelligenz und Robotik – was haben diese Kategorien mit Ballett zu tun? Mit jener Körperkunst, die eher mit Emotionalität und Spiritualität in Verbindung gebracht wird als mit wissenschaftlicher Analyse. Einiges, meint der Choreograf Wayne McGregor, denn mit dem Gegensatz von Körper und Geist, Kunst und Wissenschaft kann er wenig anfangen. Deshalb beschäftigt sich McGregor, der neben Choreografie auch Semiotik studierte, unter anderem mit Hirnforschung und Kognitionswissenschaft. Wie verändern sich durch neue Technologien und durch die Erkenntnis der Vorgänge im Körper dessen Ausdrucksmöglichkeiten? Wie können routinierte Bewegungsabläufe überwunden werden, fragt McGregor und findet auf diesem Weg zu einem ungewöhnlichen Tanzstil. Damit hat sich der Engländer, Jahrgang 1970, einen Namen als einer der aufregendsten und experimentierfreudigsten Choreografen der jüngeren Generation gemacht.
In München sind nun in dem Ballettabend „Porträt Wayne McGregor“, mit dem am Samstag die Ballettfestwoche eröffnet wurde, drei seiner Arbeiten zu sehen: die zwei älteren Stücke „Kairos“und „Borderlands“und das eigens für das Bayerische Staatsballett geschaffene „Sunyata“. McGregor hat sich dafür vom Klang und Rhythmus der Gedichte eines Sufi-Mystikers aus dem 13. Jahrhundert inspirieren lassen. Die mit elektronischen Verfremdungen und gesprochenen Passagen angereicherte Musik der finnischen Komponistin Kaija Saarjaho bildet den sphärischen Untergrund, den das Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von Koen Kessels liefert. Kantig und doch fließend wirken die in sich verschachtelten Bewegungen, die von vier Tänzerinnen und Tänzern in wechselnden Formationen und höchst artifiziellen Phrasen vor einem Perserteppich auf die leere Bühne gesetzt werden. In weit ausladenden Kurven schwingen sie ihre Arme, recken die Köpfe nach vorn, lassen Füße und Hände abknicken. Jede Bewegung wird ins Extreme gezogen: die Beine hoch gestreckt, der Rücken nach hinten gebogen, die Körperachse zur Schräge geneigt.
Diese ungewöhnlichen Körperstudien prägen auch die beiden die Uraufführung umrahmenden Stücke. Allerdings zeigen sie noch deutlicher, dass Wayne McGregor seinen Tanzstil durchaus auf der Basis des klassischen Vokabulars gefunden hat. In „Kairos“lässt er auf der Spitze tanzen und entfacht zu einer vom Komponisten Max Richter bearbeiteten Fassung von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“einen wahren Tanzrausch. Dynamisch-eruptiv auch „Borderlands“, für das sich McGregor mit den Farb- und Formkonzepten des BauhausKünstlers Josef Albers beschäftigte.
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Nächste Vorstellung am 28. April