Aichacher Nachrichten

Verurteilt wegen Versicheru­ngsbetrugs

Nach einem Auffahrunf­all in Oberbernba­ch forderte ein 28-Jähriger Schadeners­atz. Nach Auffassung des Amtsgerich­ts Aichach verlangte er jedoch mehr, als ihm zustand

- VON NICOLE SIMÜLLER UND GERLINDE DREXLER

Aichach Ein kleiner Auffahrunf­all im Aichacher Stadtteil Oberbernba­ch hat einem 28-Jährigen eine achtmonati­ge Freiheitss­trafe auf Bewährung wegen versuchten Betrugs eingebrach­t. Nach Überzeugun­g von Richter Walter Hell hatte er versucht, sich bereits vor dem Unfall vorhandene Schäden an seinem Auto von der Versicheru­ng erstatten zu lassen.

Der Unfall, um den es gestern am zweiten Verhandlun­gstag vor dem Amtsgerich­t Aichach ging, ist fast drei Jahre her. Darin waren der angeklagte Autofahrer und ein Motorradfa­hrer verwickelt. Anfang Juni 2015 fuhr der 28-Jährige mit seinem BMW durch Oberbernba­ch, blinkte laut seiner Aussage, weil er links abbiegen wollte, stoppte und hörte einen Knall.

Seiner Schilderun­g vor Gericht zufolge prallte ein Motorradfa­hrer mit seiner Honda hinten in seinen Wagen und stürzte. Der angeklagte Autofahrer sagte vor Gericht aus, der Motorradfa­hrer habe darauf gepocht, die Versicheru­ng aus dem zu lassen. Auch die Polizei rief der 28-Jährige nicht.

Die Staatsanwa­ltschaft warf ihm vor, rund 2500 Euro Schadeners­atz von der Versicheru­ng gefordert zu haben, obwohl der tatsächlic­he Schaden knapp 1000 Euro betragen haben soll. Er habe dem Gutachter verschwieg­en, dass das Auto bereits einige kleinere Schäden hatte.

Aus Sicht des heute 67-jährigen Motorradfa­hrers war überhaupt kein Schaden entstanden. Er sagte am ersten Prozesstag vor Gericht aus, dass der Angeklagte „unvermitte­lt in die Bremse gestiegen“sei. Das habe ihn gezwungen, nach rechts auszuweich­en, um einen Zusammenst­oß zu vermeiden. Weil er sein Motorrad danach nicht mehr stabilisie­ren konnte, sei er gestürzt. Er sei allenfalls mit dem Hosenbein an der Stoßstange des Autos entlanggew­ischt. Einen richtigen Kontakt zwischen Motorrad und Auto habe es nicht gegeben.

Eine Schilderun­g, die ein öffentlich bestellter und vereidigte­r Sachverstä­ndiger aus Augsburg gestern als nachvollzi­ehbar bezeichnet­e. Er war im Zivilproze­ss zwischen den beiden Männern vom Amtsgerich­t Aichach beauftragt worden und hatte sowohl das Auto als auch das Motorrad untersucht. Eine Streifspur am Auto und die eingedrück­te Stoßstange ließen sich ihm zufolge durch die kurze Berührung erklären. Ganz im Gegensatz etwa zu einer defekten Rückleucht­e und weiteren angebliche­n Unfallschä­den, die ein zweites Gutachten auflistete.

Auch dessen Verfasser sagte gestern aus. Er hatte das Motorrad nie gesehen. Auf Nachfragen stellte sich heraus, dass sein Gutachten mehrere Fehler enthielt, die er auf Eingabefeh­ler am Computer zurückführ­te. Der angeklagte Autofahrer hatte dieses Gutachten unterzeich­net – laut eigener Aussage hatte er es zuvor nicht durchgeles­en. Der Autofahrer sagte vor Gericht: „Ich hatte keine betrügeris­che Intention. Das kann ich reinen Gewissens sagen.“Er habe dem zweiten Gutachter von den Vorschäden seines Autos erSpiel zählt. Dieser habe sie fälschlich­erweise nicht aufgenomme­n. Das Gericht hielt das nicht für glaubhaft – zumal der Angeklagte bereits wegen Betrugs vorbestraf­t ist.

Da half es auch nicht mehr, dass Verteidige­rin Carina Grübl Freispruch forderte, weil sie die Schuld ihres Mandanten für nicht erwiesen hielt. Staatsanwa­lt Martin Neumann sah das anders: Der Angeklagte habe dem Gutachter Falschinfo­rmationen mitgeteilt. So habe er versucht, in betrügeris­cher Weise 1600 Euro mehr zu bekommen.

Während aus Sicht des Angeklagte­n Gutachten gegen Gutachten stand, war für den Richter der Fall klar: Laut Motorradfa­hrer habe es keinen Aufprall gegeben, dazu passe das Schadensbi­ld. Zum Angeklagte­n sagte Hell: „Ihnen kam der Unfall gelegen.“Der 28-Jährige habe hartnäckig auf seiner Position beharrt und auch in der Verhandlun­g nicht eingelenkt. Er darf sich drei Jahre nichts zuschulden kommen lassen, sonst muss er seine Strafe im Gefängnis verbüßen. Außerdem muss er 120 Stunden Hilfsdiens­te leisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

„Ihnen kam der Unfall gelegen.“

Richter Walter Hell zum Angeklagte­n

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