Und jetzt?
Die Niederlage gegen Madrid lässt die Bayern ratlos zurück. Nach dem 1:2 gegen Madrid schwanken sie zwischen Frust und Optimismus. Möglicherweise war die Partie der letzte große Auftritt eines genialen Duos
München Arjen Robben schaute dem Geschehen noch 20 Sekunden zu. Einen derart vorzüglichen Platz hat auch der Holländer nicht alle Tage. Robben aber konnte den Blick nicht genießen. Er stand an der Seitenlinie, die Adduktoren zwickten. Es war klar, dass er ausgewechselt werden muss. Da waren gerade einmal acht Minuten im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid gespielt und es war noch nicht abzusehen, in welche Richtung diese Partie am Ende schwanken würde. Robben machte sich schließlich auf den Weg, schritt die Hälfte des Feldes ab, beachtete die ihm geltenden Ovationen der Zuschauer nicht, ehe er auf der gegenüberliegenden Seite in den Katakomben verschwand. Wer Alter (34) und die Liste seiner Verletzungen (lang) kennt, dem schwante, dass dieser Abgang möglicherweise das Ende einer Ära beim FC Bayern bedeutete.
Robben und Franck Ribéry prägten die vergangene Dekade der Münchner. Diese Saison sollte die letzte der beiden in der ständigen Rolle der Hauptdarsteller werden. In der nächsten Spielzeit sollen sie als Mentoren für Kingsley Coman und Serge Gnabry dienen. Nach acht Minuten war das Duo gesprengt. Ribéry erinnerte fortan zwar an jenen Ribéry vergangener Jahre. Trickreich und mit Furor rannte er wieder und wieder auf die spanische Abwehr zu. Weil ihm aber sein Widerpart auf der rechten Seite fehlte, rieb sich der Solokünstler auf.
Dass die Münchner trotz ihrer monothematischen Angriffsbemühungen zu zahlreichen Chancen kamen und trotzdem verloren, hinterließ Ratlosigkeit. „Wenn wir 5:2 gewinnen, darf sich Real nicht beschweren. Ich war die letzten Jahre noch nicht dabei, aber ich habe so ein schwaches Real nicht so oft in München gesehen“, fasste Niklas Süle die verwirrende Partie zusammen. Das nämlich ärgerte die Münchner weit mehr als das Ergebnis: Einem mäßigen Gegner die Tür zum Finale aufgestoßen zu haben. Sämtliche statistischen Werte sprachen für die Münchner, nur der maßgebliche nicht: die Tore. Marcelo egalisierte mit einem wuchtigen Schuss (44.) die Führung von Joshua Kimmich (28.). Marco Asensio nutzte einen furchtbaren Fehlpass Rafinhas zur Führung (57.) Davor und danach eröffneten sich den Münchnern zahlreiche Möglichkeiten, das Ergebnis zu ihren Gunsten zu gestalten.
Doch der schattenhafte Robert Lewandowski und ein unglücklicher Thomas Müller vergaben. So lässt sich trefflich über Glück, Pech und jeweilige Ausprägungen der Schicksalsregungen sprechen. Die Münchner können entschuldigend für sich anführen, mit Robben und später Jérôme Boateng, zwei Spieler früh verloren zu haben. Boateng fällt mit einer Muskelverletzung den Rest der Saison aus. Auch die WM könnte in Gefahr geraten. Letztlich fehlten mit Arturo Vidal, Kingsley Coman, David Alaba und Manuel Neuer vier weitere Spieler verletzt, die man sich in einem Halbfinale ganz gut vorstellen könnte. Auf der anderen Seite erhielten die Münchner einen schwächelnden Gegner, dessen Superstar Cristiano Ronaldo sich eine seiner seltenen 90-minütigen Pausen nahm. Dass Reals Kapitän Sergio Ramos behauptete, sein Team habe „sehr gut verteidigt“, spricht für einen sehr humorvollen Charakter. Während die Bayern mit ihren Vorteilen verschwenderisch umgingen, holten die Madrilenen das Beste aus ihrer schwachen Tagesform heraus.
Jupp Heynckes blieb freilich nichts anderes übrig, als sich kämpferisch zu geben. „Wir gehen optimistisch in das Rückspiel“, kündigte er an. Dabei blickte er auf den Boden, gezeichnet von einem eigenartigen Spiel. Für die Bayern spricht im Rückspiel am kommenden Dienstag lediglich, dass in dieser Champions-League-Saison nichts als sicher gelten darf.