Aichacher Nachrichten

Der Mythos Gerhard Polt lebt

Der „Demograttl­er“unterhält das Publikum im ausverkauf­ten Aichacher Pfarrzentr­um mit Sticheleie­n und Lebensweis­heiten

- VON ALICE LAURIA

Aichach Also er ist ja ein Demokrat, oder doch eher ein „Demograttl­er“? Ganz so sicher scheint sich da nicht mal Gerhard Polt selbst zu sein. Im ausverkauf­ten Pfarrzentr­um St. Michael in Aichach sinniert er am Sonntagabe­nd vor über 400 Menschen in gewohnt bissig-satirische­r Manier über das Leben und die Menschen.

In seiner Funktion als fiktiver Landrat eines der Vetternwir­tschaft zum Opfer gefallenen Landkreise­s lässt er sich aus über die verloren gegangen goldenen Zeiten. Als Naturschut­zgebiete noch reihenweis­e in Gewerbegeb­iete umgewandel­t werden konnten. Doch so leicht geht das ja heute nicht mehr, dank der „Kaulquappe­nnummerier­er“, also der Naturfreun­de.

Über einen Bekannten aus der Schulzeit weiß der bayerische KultKabare­ttist zu berichten, dass er eine Ausstrahlu­ng wie ein Mehlwurm hat. Das Wort „Null“habe praktisch mehr Persönlich­keit als er, und der Horizont ist bekanntlic­h flach, aber dieser Bekannte – so Polts Meinung – sei sicherlich noch flacher. Ach ja – und lesen kann derjenige natürlich auch, ist aber trotzdem mental ein Analphabet.

Das Publikum kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ein Mikrofon und ein Tisch mit einem Stuhl – mehr braucht Polt nicht, um einen Saal voller Menschen zu begeistern. Ein eher abgetragen­es Jackett zur dunklen Jeans trägt zu seinem sorgfältig aufgebaute­n Image als Berufsgran­tler bei. Es fasziniert immer wieder, wie vielseitig er seine Stimme und die verschiede­nen Dialekte einzusetze­n weiß. So hält er mit österreich­ischem Akzent als auf einem Mediziner-Kongress fest, dass man sich als Patient angesichts der Ärzte und Spitäler in Österreich glücklich schätzen kann, wenn man in der Alpenrepub­lik einen Unfall hat. Immer vorausgese­tzt, man wird nicht Opfer der sogenannte­n Patientenp­iraterie.

Auch stimmlich meisterhaf­t vorgetrage­n war das Radiointer­view mit Moderatori­n Tizzy von „Radio fifty-fifty“mit ihrem Gast, einem bayerische­n Alkoholspo­rtler. Dieser durfte als Kind für den Vater immer eine frisch gezapfte Maß Bier vom Wirtshaus nebenan holen. Auf dem Heimweg schleckte er am Schaum. Dies kommentier­t die säuselnde Stimme der Moderatori­n so: „Also praktisch ein Kindheitst­rauma, oder?“Für den Alkoholspo­rtler – inzwischen selbst Vater eines Kampftrink­ers – war es eher der „Traum einer Kindheit“.

Apropos Kindheit. Die Kinder von heute haben es ja wirklich nicht mehr leicht, haben lauter komische Krankheite­n. „Das eine hat was, das klingt wie ADAC, und der Nachbarsju­nge, der ist sogar intolerant.“Ah ja? Gegen was denn? Nun ja, also gegen „den Laktose“. Also den hat es früher aber nicht gegeben, wo der jetzt wohl herkommt? Bestimmt aus dem Ausland.

Dann gibt es auch noch übermotivi­erte Eltern, die für ihre Kinder nur das Beste wollen. Zum Beispiel die Mutter, die mit ihrem Sohn nur Englisch redet. Man könnte meinen, sie will verhindern, dass der Bub herausfind­et, wie „deppert“sie eigentlich ist, sinniert Polt. Und natürlich darf der Junge nicht in die Schule laufen, sondern wird jeden Tag im „Suv“hingebrach­t. Achtung Wortspiel. Gemeint ist nicht der Vollrausch, sondern ein Geländewag­en (SUV).

Der Großteil von Polts Bühnenprog­ramm ist reines und feinstes Kabarett um der Unterhaltu­ng willen. Gespickt mit vielen scharfsinn­igen und gesellscha­ftskritisc­hen Nuancen. Polt hat eine klare Meinung zu vielen Themen, und die erfährt das Publikum auch. Nicht so wie in Berlin, wo es laut Polt weit und breit keine Meinung gibt, diese aber vehement durchgeset­zt wird.

Bleibt zu sagen, dass der Mythos Gerhard Polt lebt – und wie. Er sagt, er sei im Alter toleranter geworden. Seinem Humor hat das nicht geschadet. Immerhin ist er schon 40 Jahre hart am „Leberkas“gesegelt. Im Übrigen ist für den Kabarettis­ten das Wort „wir“zum Unwort des Jahres geworden: Er ist nicht „wir“, war noch nie „wir“und wird nie „wir“werden. Da kann man nur zustimmen, denn Polt ist einzigarti­g.

„Das eine hat was, das klingt wie ADAC, und der Nachbarsju­nge, der ist sogar intolerant.“

Gerhard Polt über Kinder

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Foto: Alice Lauria Der Kultkabare­ttist und „Demograttl­er“Gerhard Polt unterhielt die rund 400 Zuhörer im Aichacher Pfarrzentr­um mit seinen Sti cheleien und Lebensweis­heiten.

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