Laus-Jagd mit Laser Parasiten töten jährlich Millionen Lachse. Jetzt gibt es zur Bekämpfung eine neue Waffe
In Norwegens Fjorden erhellt ein grünes Licht die Nacht. Nicht die Polarlichter am Himmel – das Leuchten kommt aus dem Wasser. In einer Lachszucht, einem großen Netzgebilde im Meer, zuckt alle paar Sekunden ein Laserstahl durch das Wasser und schießt auf die Fische. Ungerührt ziehen sie weiter ihre Bahnen, denn sie wissen, dass der dünne Lichtstrahl ihnen nichts tut. Im Gegenteil: Er befreit sie sogar von einem Plagegeist, den sie selbst nicht abschütteln können. Ein kleiner Parasit, die Lachslaus. Sie tötet massenhaft Fische und versetzt einem ganzen Industriezweig einen harten Schlag.
Eine norwegische Firma hat nach einer Lösung für das Problem gesucht. Nach fünfjähriger Forschung, Unterstützung vom „Norwegian Institute of Marine Research“und staatlicher Finanzspritze war sie gefunden: in Form des weltweit ersten Laus-Lasers. Eine Drohne in der Größe eines Boxsacks, ausgestattet mit LED-Lichtern, Positionskameras und hochpräzisen Stereokameras. Und dem Laser natürlich. Ein grüner Strahl, der für einen Sekundenbruchteil aufflammt, dem Lachs die Laus vom Körper brennt und den Fisch unverletzt lässt. Benedikt Frenzl, wissenschaftlicher und biologischer Leiter des Entwickler-Unternehmens „Stingray Marine Solutions“hat die Laser-Drohne schon an zahlreiche Zuchtbecken begleitet. „Wir haben endlich eine Lösung gefunden, die dem Problem gewachsen ist“, sagt er.
Die Lachslaus ist in der Wissenschaft ein alter Bekannter. Der Parasit – eigentlich keine Laus, sondern ein kleiner Krebs – kommt in der Natur vor und befällt dort Lachse und artverwandte Fische. In Lachszuchten werden sie zum großen Problem. In den feinmaschigen Netzen, die fest im Meer installiert sind, werden oft 50000 bis 200000
Jedes Jahr sterben mehr als 53 Millionen Tiere an den Lachsläusen
Fische gehalten. Ein Paradies für Parasiten. Hier können sie ungestört fressen und sich vermehren, ohne dass die Lachse fliehen oder die Plagegeister abstreifen können. Das kleine Tierchen heftet sich an die Haut eines Fisches und kann sich bis in das Fleisch fressen. Bei einem jungen Lachs reichen laut Schätzungen elf Läuse, um ihn tödlich zu verletzen.
Für die norwegische Wirtschaft ist das ein ernstes Problem: „Norwegen lebt von zwei Handelsgütern. Auf Platz eins kommt das Öl, gleich dahinter Fisch“, sagt Frenzl. Mehr als 1,2 Millionen Tonnen Lachs werden jedes Jahr in dem Land produziert. Die Laus sorgt in diesem Industriezweig für Millionenschäden. Im Jahr 2016 starben laut dem „Norwegian Seafood Council“, der öffentlichen Vertretung der Fischindustrie, insgesamt 53 Millionen Tiere an Lachslaus-Befall.
Für den deutschen Verbraucher ist das Fischsterben deutlich spürbar. Egal ob im Restaurant, an der Fischtheke oder im Tiefkühlregal im Supermarkt: Überall wurde Lachs teurer. Nach Auskunft des Bundesverbands der Fischindustrie und des Fischgroßhandels stieg der Preis bei frischem Lachs vom Jahr 2015 auf 2016 um 30 Prozent. Gleichzeitig machen sich in der freien Natur immer mehr Läuse breit. Die Lachsfarmen dienen ihnen als Vermehrungsort, in ihrer großen Zahl befallen sie auch zunehmend wilde Lachse. Das Problem aus der Industrie schwappt in die Umwelt über.
Die Lachsläuse bereiten schon seit gut einem Jahrzehnt zunehmend Probleme. Bisher haben sich Züchter mit unterschiedlichen Methoden beholfen. Fische werden in Medikamenten-Lösungen gebadet oder bekommen Arzneien unter ihr Futter gemischt. Dadurch landen die Medikamente allerdings im Meer und belasten die Umwelt. Andere Züchter waschen die Fische mit warmem Wasser ab, damit sich die Laus löst – andere baden die Lachse in einer Wasserstoffperoxid-Lösung, um die Hautparasiten unschädlich zu machen. Auch diese Methoden haben Nachteile. Sie sind nicht nur aufwendig, sondern belasten auch die Tiere.
Hier kommt der Lachs-Laser ins Spiel. Die Drohne wird mit einem Kabel durch die Lachsfarm gesteuert und folgt automatisch den Fischen. Mit einer Stereo-Kamera, ähnlich den menschlichen Augen, untersucht sie die Fische auf Parasiten. Wird die Kamera fündig, schießt der Laser für einen Sekundenbruchteil auf die Laus. Mit extremer Präzision verbrennt er den Parasiten, ohne den Fisch zu verletzen. „Die Haut von einem Lachs ist ein bisschen wie eine Discokugel, sie reflektiert die Strahlung“, erklärt Frenzl. Die
Laus ist hingegen dunkler pigmentiert und saugt damit die Strahlung geradezu auf. In zahlreichen
Tests haben norwegische
Forscher herausgefunden, dass die Wellenlänge von grünen Lasern das beste Ergebnis liefert. Die Praxis hat Frenzl zufolge gezeigt, dass sich die Fische recht schnell an den ungewohnten Gast in ihrem Zuchtnetz gewöhnen. Zwischen einer und vier Wochen dauert es, bis die Lachse überhaupt nicht mehr auf die LaserDrohne reagieren.
Die Firma Stingray vertreibt die Laser-Drohnen seit 2014, inzwischen kommen sie in Norwegen, Dänemark und Schottland zum Einsatz. Aber auch andere Länder haben ein Lausproblem. Etwa Chile – in Südamerika macht sich ein naher Verwandter der Lachslaus über die Fische her. Christian Gall