Wie kommt Pyrotechnik ins Stadion?
In Hamburg zündeten HSV-Ultras mehrere Rauchbomben und Raketen. Wie Chaoten Unerlaubtes in den Fanblock schmuggeln und wie die Polizei reagiert
Hamburg/Augsburg Es war das unrühmliche Ende einer komplett verkorksten Saison für den Hamburger SV: In den Schlussminuten der Partie gegen Mönchengladbach hüllten von Ultras gezündete Rauchbomben das Stadion in dicke schwarze Rauchschwaden, immer wieder knallten Böller. Dem HSV, der an diesem Tag seine Abschiedsvorstellung aus der Bundesliga gab, droht nun eine empfindliche Geldstrafe. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes hat die Ermittlungen aufgenommen.
Wie die Pyrotechnik ins Stadion gekommen ist, ist bislang unklar. Nach einem Bericht der Bild gelang das den Ultras vor Spielbeginn mit einem kurzen Angriff gegen Ordner. Die Verwirrung, die nach der Attacke herrschte, hätten die Angreifer dafür genutzt, die in Rucksäcken verstaute Pyrotechnik über die Zäune zu werfen. Es ist eine von mehreren Taktiken, wie Unerlaubtes ins Stadion geschmuggelt werden kann. Eine beliebte Methode ist es etwa, wenige Tage vor dem Spiel eine Stadionführung zu buchen und bei dieser Gelegenheit die Pyrotechnik in der Arena zu deponieren.
Polizeioberrat Bernd Waitzmann von der Polizeiinspektion Augsburg-Süd ist Einsatzleiter bei Heimspielen des FC Augsburg. Seiner Einschätzung nach gibt es drei Möglichkeiten, verbotene Gegenstände ins Stadion zu bringen: „Man schmuggelt es am Körper, wirft es über den Zaun – oder man kennt jemanden im Inneren des Stadions, der einem hilft.“Waitzmann weist darauf hin, dass bei den Personenkontrollen im Stadion sehr viel aussortiert wird. Wer selbst schon Bundesligaspiele besucht und die Kontrollen tausender Stadionbesucher erlebt hat, weiß aber auch: Das Einschmuggeln von kleineren Gegenständen am Körper würde nicht wirklich ein Problem darstellen.
Wie der FC Augsburg auf Nachfrage unserer Zeitung betont, wurde im Heimbereich der Arena noch nie Pyrotechnik abgebrannt. In dieser Spielzeit kam es lediglich im Gästebereich dazu: bei der als Risikospiel einsgestuften Regionalligapartie zwischen dem TSV 1860 und dem FCA II. Zudem zündeten Augsburger Fans beim Marsch zum Stadion vor dem letzten Bundesligaheimspiel Rauchbomben. Beim Fanmarsch vor zwei Jahren, sagt Waitzmann, erlitt ein Straßenbahnfahrer eine Rauchvergiftung. Bei Auswärtsspielen wie beim Pokalspiel in Ravensburg 2016 oder vergangene Saison in Mönchengladbach zündeten FCA-Fans Rauchbomben.
Relativ gesehen geht es in Augsburg aber sehr wenig explosiv zu. Das liegt einerseits an den Kontrollen der 450 bis 550 Sicherheitskräfte, die pro Spieltag im Einsatz sind. Dazu kommen 100 bis 300 Polizisten. Andererseits soll es nach Informationen unserer Zeitung eine Vereinbarung zwischen Fans und FCA geben, wonach auf Pyrotechnik verzichtet wird – die Geldstrafen muss schließlich der Verein bezahlen.
Aber wie ernst ist es den anderen Fußball-Klubs mit dem Verhindern von Pyrotechnik im Stadion? Viele Ultra-Fans glauben, dass Klub-Verantwortliche das Feuerwerk insgeheim begrüßen. Andere Funktionäre scheinen dem Thema zumindest nicht die ganz große Bedeutung zuzumessen. Ein Beispiel: Vor und während der Partie zwischen Schalke und Mainz im Frühjahr waren im S04-Block immer wieder bengalische Feuer und Rauchtöpfe gezündet worden. Neun Personen wurden leicht verletzt. Der Kommentar des Schalke-Managers Christian Heidel nach der Partie: „Die Fans haben ein klein wenig übertrieben. Man hat mir gesagt, dass so etwas einmal in der Saison passiert. Ich hoffe, dass es damit erledigt ist. Auch wenn das bei uns keiner gutheißt.“
Laut Waitzmann funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Polizei und FC Augsburg grundsätzlich gut – vor allem beim Bereich Pyrotechnik gebe es eine Null-AkzeptanzPolitik. So versuchen Klub und Polizei auch, nach dem Abbrennen von Böllern oder Raketen die Personalien der Verantwortlichen zu ermitteln. Dieses Vorhaben stößt aber an Grenzen. So nutzen Ultra-Fans große Blockfahnen wie sie im Hamburger Fanblock am Wochenende zu sehen waren, um sich unter deren Schutz umzuziehen und so nicht wieder erkannt zu werden. Waitzmann sagt: „Das macht die nachträglichen Ermittlungen zur Identität sehr schwer.“
„Man schmuggelt es am Körper, wirft es über den Zaun – oder man kennt jemanden im Inneren des Stadions, der einem hilft.“
Polizeioberrat Bernd Waitzmann