Die Monarchie – ein Fels in Britanniens Brandung
Sie ist nicht nur immun gegen den Zeitgeist und perfekt im Inszenieren des schönen Scheins. Die Königsfamilie füllt auch ein Vakuum, das die Politik entstehen ließ
Dem royalen Zirkus zu entkommen, ist dieser Tage auf der Insel unmöglich. Meghan Markle und Prinz Harry strahlen von Teetassen, inspirieren Pubs zu Krönchen-Partys und Public Viewing, dominieren die Titelseiten der Presse und blicken von Kühlschrankmagneten auf eine verunsicherte Nation, die die Hochzeit kaum erwarten kann.
Der kollektive Freudentaumel überrascht keineswegs, kommt das Ereignis doch genau zur rechten Zeit. Die Brexit-Verhandlungen drehen sich im Kreis. Die Gesellschaft ist zutiefst gespalten, und niemand weiß, ob Theresa May den nächsten Monat als Premierministerin überlebt. In dieser gedrückten Stimmung sorgt wieder einmal das Königshaus für den Wohlfühlfaktor. Die Royals tun, worin die Windsors seit jeher unübertroffen sind: Sie inszenieren eine prächtige, prunkvolle Show. Die Monarchie als Fels in der Brandung, die Kontinuität und Stabilität verspricht, während die Welt sich schneller wandelt, als es vielen recht ist, und politische und wirtschaftliche Wirren den Alltag stören.
Tatsächlich füllt ausgerechnet die Königsfamilie seit Jahren das Vakuum, das die Politik hinterlässt. Sie springt ein, wenn die gewählten Vertreter und das öffentliche System versagen. So brachten Prinz Charles, Harry und Co. vernachlässigte Themen wie die Tabuisierung von psychischen Krankheiten, nachhaltige Landwirtschaft, den Umweltschutz oder die Anerkennung von Veteranen zurück in die öffentliche Wahrnehmung und durch ihre Prominenz auch in den politischen Diskurs. Und wenn eine Katastrophe wie der verheerende Brand im Londoner Grenfell Tower die Nation traumatisiert, trösten Königin Elizabeth II. und Prinz William Hinterbliebene, während sich die Politikelite wegduckt.
Nun feiern Beobachter bereits, wie die geschiedene US-Amerikanerin Meghan Markle, Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, und ihr Bräutigam die Monarchie modernisieren. Das Power-Paar repräsentiert mehr denn je die nahbare und warmherzige Seite der Royals, gleichzeitig soll das angestaubte Königshaus bunter und vielfältiger erscheinen. Die Jubelstimmen übergehen allerdings ein wichtiges Detail: Harry, Sechster der Thronfolge, wird vermutlich nie König werden und darf in jener Bedeutungslosigkeit mit seiner künftigen Frau weitaus bodenständiger und fortschrittlicher sein als dies etwa seinem Bruder und Herzogin Catherine gewährt wird.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie das Königshaus in diesen Tagen schier unangefochten dasteht. Die Welt feiert eine Erbmonarchie, die in ihren undemokratischen und anachronistischen Strukturen auf Ungleichheit und Elitismus basiert. Trotzdem will nicht einmal ein Fünftel der Briten die Monarchie abschaffen. Während andere Institutionen mit Misstrauen überladen werden, scheinen die Windsors dagegen immun zu sein. Das ist umso bemerkenswerter, da beim EU-Referendum mehr als 17 Millionen Menschen auch deshalb für den Brexit gestimmt haben, um die Souveränität aus Brüssel zurück ins Königreich zu holen, wo Traditionen mit Leidenschaft, Standesdünkel und Hutbegeisterung zelebriert werden und der perfekt inszenierte Schein, der aus dem Palast dringt, das Bedürfnis vieler Menschen nach einer Flucht in die Welt der funkelnden Träumereien stillt.
Man darf es paradox nennen, dass sich Markle, ehemals politische Aktivistin und überzeugte Feministin, nun vor der Königin verbeugt, die ihre Position allein dem genetischen Zufall verdankt. Ob sie und ihr Mann den Windsors trotzdem einen Modernisierungsschub verleihen, wird man sehen. Es haben bereits einige vor Meghan Markle versucht. Sie sind gescheitert.
Prinz Harry hat es leichter als sein Bruder