Kreislauf Training mit Godzillas Hilfe
An der Universität Augsburg erforscht man positive Effekte von Computerspielen auf die Gesundheit. Wie sich aus virtuellen Welten realer Nutzen ziehen lässt
Königsbrunn Als Killer-Rieseneidechse hat man es nicht leicht: Wie weit man sich bücken muss, um diese kleinen Häuschen kaputt zu bekommen. Und wie viele Bäume man ausreißen und wegschleudern muss, um eines der wuseligen kleinen Autos zu treffen, die ständig auf den Straßen herumfahren. So wird einem schnell warm, während man unter der dicken Virtual-RealityBrille steckt und „Godzilla“spielt. Das ist auch gut so, findet Professor Jeffrey Wimmer von der Universität Augsburg. Er forscht am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaften, ob und wie sich Computerspiele positiv auf die Gesundheit auswirken können. Seine Erkenntnisse haben er und Gäste aus der Praxis jetzt in Königsbrunn vorgestellt.
Wenn ein Spiel die Spieler dazu bringt, sich zu bewegen, ist schon viel gewonnen, sagt Wimmer. Bewegungsmangel ist in unserer Zeit eine der Hauptursachen für Krankheiten von der Diabetes bis zum Herzinfarkt. Da reicht es schon, wenn man eine halbe Stunde in die Rolle eines riesigen Monsters schlüpft, sich durch die Gegend beamt und mit seinen grünen virtuellen Pranken auf Computerpixel in Häuschenform einschlägt. Wobei diese Art des Aggressionsabbaus nicht ganz ohne Risiko ist. Denn unter der Brille sieht man ringsum nur die virtuelle Spielewelt. Auf reale Hindernisse, denen man sich gefährlich nähert, muss einen ein Helfer aufmerksam machen.
„Health Games“werden die Computerspiele, die die Gesundheit fördern, im Fachjargon genannt. Darunter fallen zum Beispiel Spiele oder Apps, die den Nutzer in Bewegung bringen. Ein bekanntes Beispiel ist Pokemon Go, bei dem schon vor ein paar Jahren Tausende Spieler durch deutsche Städte liefen, um auf ihren Handybildschirmen virtuelle Monster zu jagen. Sportlich anspruchsvoll sind Spiele wie DanceDance Revolution, bei dem die Spieler auf einem speziellen Spielfeld nach Vorgabe des Computers in Höchstgeschwindigkeit Tanzschritte ausführen.
Damit ein Spiel bei den Nutzern ankommt, muss es Spaß machen. Dafür benennt der Forscher verschiedene Kriterien, die erfüllt sein müssen. „Immersion“nennt sich die Erfahrung eines Spielers, in eine virtuelle Welt einzutauchen. Dort können sie ein Flow-Gefühl erleben, gehen im Rhythmus des Spiels auf, erfahren Belohnung und Bestätigung durch Erfolge in Spiel. Gerade für Jugendliche ist die „Subjektdimension“wichtig, sagt Wimmer: Das Ausprobieren von Identitäten, von Rollen und das Erleben von Emotionen und Empathie für ihren virtuellen Charakter. Wichtig für den Spielspaß ist auch die Interaktivität, die Möglichkeit sich mit anderen Spielern zu vernetzen, Ergebnisse zu vergleichen: „Das gemeinsame Spielen ist eine sehr soziale Aktivität, eine sehr moderne Form“, sagt der Wissenschaftler.
Diese Möglichkeiten zur Interaktion machen sich viele Anbieter zunutze. Indem man Alltagstätigkeiten in Spiele integriert, lassen sich Produkte besser vermarkten und Menschen zum Mitmachen motivieren. „Gamification“lautet der Fachbegriff hierfür. Anwendungen gibt es einige: Bei Fitness-Armbändern werden Leistungen mit Belohnungen im Spiel verbunden oder mit sozialer Anerkennung durch Posts in sozialen Netzwerken, um die Anwender anzuspornen. Es gibt Trainingsspiele für MS-Kranke, mit denen sie ihr Gehirn trainieren können. Die Daten und die Klickgeschwindigkeit können an den Arzt übermittelt werden, der daran erkennen kann, ob ein Medikament anschlägt. Das Spiel „That Dragon, Cancer“vermittelt den Nutzern Einblicke in die emotionale Welt einer Familie, die ein todkrankes Kind hat.
Allen Spielen gemeinsam ist ein Dilemma, sagt Wimmer: „Wer von stark positiven Wirkmächten ausgeht, muss auch stark negative für wahrscheinlich halten.“Das heißt: Je höher die Nutzung, desto größer die Risiken, dass aus der positiven Wirkung eine negative wird, zum Beispiel eine problematische Einbettung in den Alltag. Ein zweites Problem: Noch fristen die gesundheitsfördernden Spiele ein Nischendasein. Doch Wimmer ist optimistisch, dass sich das ändern kann: „Man sieht, wie Computerspiele die Welt in nur 30, 40 Jahren verändert haben.“Wie mühselig das Monsterdasein ist, wusste man damals noch nicht.