Von Gebirgstracht zum bairischen Gwand
Der Pöttmeser Heimat- und Volkstrachtenverein feiert beim Volksfest seinen 95. Geburtstag. Am Samstag werden 30 Vereine und 800 Trachtler erwartet
Pöttmes Wer die 90 überschritten hat, genießt gewisse Privilegien. Dem hohen Alter begegnet man mit Respekt und Achtung. Man nimmt sich Zeit, die Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählt zu bekommen, man blättert in Fotoalben, in denen kleine und große Ereignisse in Schwarz-Weiß festgehalten sind. Bei Vereinen, die ihr 95. Gründungsfest feiern, sind diese Geschichten in der Regel in umfangreichen Chroniken dokumentiert. Nicht unbedingt die Regel ist, wenn diese „betagten“Vereine ihr Jubiläum bei bester Gesundheit feiern. Der Pöttmeser Heimat- und Trachtenverein ist in dieser glücklichen Lage. Am Samstag, 2. Juni, wird der große Gauheimatabend im Pöttmeser Volksfestzelt unter Beweis stellen, wie lebendig und vielfältig diese traditionsreiche Vereinigung ist.
Mit 350 Mitgliedern, davon allein 50 Jugendliche und Kinder, zählt der Verein zu den größten in Pöttmes, bestätigt Festleiter Horst Brandner. Mit dem Vorsitzenden Martin Rupprecht führt Brandner als dessen Stellvertreter seit vielen Jahren den Verein. Die Festivitäten beziehen gleichzeitig das 93-jährige Bestehen des Donaugau-Trachtenverbands mit ein.
Mit der Gründung des „Gebirgsund Trachtenvereins D’Schwanstoaner Pöttmes“im Jahr 1923 fing alles an. Die Gründerväter – unter ihnen Familiennamen wie Käufl, Mayr, Lenk, Schlicker und Eitelhuber – vereinte der Wille, ihre Heimatverbundenheit und die Liebe zur Tradition über einen Verein offiziell zum Ausdruck zu bringen.
Aus praktischen Gründen schlossen sich die Pöttmeser in der Folge dem Donaugau-Trachtenverband an, der seinen Sitz in Ingolstadt hatte. Das erklärt auch die Tatsache, warum die Pöttmeser Trachtler ihre Gründungsfeste stets im Verbund mit dem Donaugau feiern. Mittlerweile haben sich hier 32 Vereine aus dem mittelbayerischen Raum zusammengetan.
Einige Jahre nach der Vereinsgründung wurde aus dem Gebirgsund Trachtenverein der heutige Heimat- und Trachtenverein. Verbunden mit der Namensänderung war der Wunsch, die heimische Volkstracht aufzuwerten und die Verbundenheit mit den heimatlichen Traditionen ins Bewusstsein zu Von Beginn an prägten die Trachtler dank einer Fülle vielfältiger Aktivitäten das gesellschaftliche und gemeindliche Leben in Pöttmes und Umgebung.
Der Chronik ist zu entnehmen, dass damals wie heute die Festlichkeiten rund um Fahnenweihen, Trachtenumzüge oder Trachtenabende auf große Resonanz in der Bevölkerung stießen. So nahmen beispielsweise 1930 in Rosenheim 10000 Trachtler – unter ihnen die Pöttmeser Truppe – und 30 Musikkapellen an einem überregionalen Trachtenaufmarsch teil.
Erst die Kriegswirren brachten das rührige Vereinsleben zum Erliegen. 1946 brauchte es eine Genehmigung der amerikanischen Militärbehörde in Pöttmes, um neuen Anlauf zu nehmen. Im Gasthof zur Post durfte an drei Tagen im Juli 1946 ein Plattler-Übungsabend stattfinden.
1949 fand die Fahnenweihe im Rahmen eines Heimatabends statt. Die neu gegründete Volkstanzgruppe trat auf. 1958 bauten die Vereinsmitglieder in Eigenregie die kleine Gedächtniskapelle, im gleichen Jahr feierte man das 35. Jubiläum gemeinsam mit 61 Vereinen und über 1000 Trachtlern.
Zum 50-Jährigen wurde die neue Fahne geweiht, auf der das Obere Tor mit dem Storchennest und ein Paar in altbayerischer Tracht abgebildet sind. Seit 1974 ist der Verein zuständig für das traditionelle Maibaumaufstellen am Marktplatz. Viele weitere regionale oder überregionale Aktivitäten sind fester Bestandteil des Vereinslebens. Die Trachtler sind beim Volks- und beim Marktfest und bei Prozessionen dabei, sie richten regelmäßig einen Hoagarten aus, ihre vereinseigenen Theateraufführungen sorgten jahrelang für Furore. Sie nehmen am Leahader Leonhardiritt teil und waren mehrmals beim Oktoberfestumrücken. zug in München vertreten. Sie hatten Auftritte in der französischen Partnerstadt La Haye-Pesnel, in Spanien, Ungarn, Schweden und Polen. Der Verein ist derzeit dank drei Abteilungen gut aufgestellt. Mit einem Repertoire von über 40 Volkstänzen pflegen „die Altbayerischen“diese schöne Tradition. Die Plattlergruppe zählt 15 Aktive, die 50 Kinder und Jugendliche sind in drei eigenen Abteilungen engagiert dabei. Horst Brandner und Martin Rupprecht schätzen die Nachwuchsarbeit aus den eigenen Reihen. Das sei ein Garant für den Fortbestand des Vereins wie auch den Erhalt der Sitten und Gebräuche, meint Brandner. „Wir sind alt, aber nicht altmodisch“, sagt er.
Nach monatelanger Vorbereitungsarbeit sehen die Organisatoren dem Festabend am 2. Juni gelassen entgegen. Erwartet werden eine ganze Reihe Ehrengäste, an die 800 Trachtler, die Blaskapellen aus Pöttmes und Thierhaupten, 30 Vereine, darunter vier Patenvereine: der Zeidler- und Volkstrachtenverein Feucht bei Nürnberg, Dö Birkastoana Grasheim, D’Lechtaler Thierhaupten und Enzian Ingolstadt.