An der Schlossermauer 10 wird es stiller
Nach 15 Jahren stellen Waltraud und Gottfried Schröder ihre beliebte Konzertreihe ein
Einfache Holzstühle und Tische auf grobem Backsteinboden, in der Ecke ein Podest mit einem schwarzen Flügel darauf – den Raum mit der Adresse Schlossermauer 10, die Weinbar und Galerie Schröder, kennen viele Musikliebhaber von Konzerten, die Gottfried und Waltraud Schröder veranstalteten. Nach 15 Jahren gehört dies der Vergangenheit an.
Kurz vor dem Mauerfall zogen die Schröders ein: Im Oktober 1989 hatte Architekt Gottfried Schröder zusammen mit seinem Sohn die alte Brauerei an der Schlossermauer 10 bezugsfertig renoviert. Über ein Jahr war nötig, um das verfallene Gebäude herzurichten. Von externer Hand stammten lediglich die Sanitäranlagen, Heizung und die Hauselektrik. Bis dahin hatten Waltraud und Gottfried Schröder und ihre zwei Kinder 17 Jahre lang in der Firnhaberau gewohnt, davor am Chiemsee: Der studierte Architekt arbeitete zunächst in einem Büro auf der Fraueninsel, bis er sich in Augsburg selbstständig machte.
Mutig war das, denn zu der Zeit gab es eine Baukrise, erinnert sich das Ehepaar. Mutig war auch der Kauf der über 500 Jahre alten „Ruine“. Doch die beiden zog es in die Innenstadt, an der Hauptstraße in der Firnhaberau war es ihnen zu laut geworden. Ihr Wagnis wurde belohnt. Das Haus ist heute ein Schmuckstück und die Lage immer noch idyllisch ruhig.
Im November 1990 begründeten die Schröders im gleichen Haus ihre Galerie. Ein kleiner Flügel stand damals schon darin, schließlich hatte der Hausherr früher Klavier gespielt und das nicht schlecht: Bis zur Sonate „Pathétique“von Beethoven schaffte es Gottfried Schröder, bevor es ihn mit Anfang Zwanzig nach Berlin zog. Sein einjähriger Aufenthalt in der Hauptstadt 1961 fiel mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August zusammen. An die Szenen erinnert er sich gut. Nach zwei Wochen fielen die oberen Sandschichten der Mauer wieder zusammen. Sie wurden später mit Beton wieder errichtet, erzählt er.
1998 eröffnete Gottfried Schröder an der Schlossermauer 10 im Erdgeschoß seine Gaststätte mit Galerie. Dank der bald stadtbekannten „Weinbar Schröder“lebte die jahrhundertelange Tradition des Hauses wieder auf: Als Nebengebäude der Wirtschaft „Zum Osterlamm“war hier beinahe drei Jahrhundert lang die hauseigene Brauerei untergebracht. Nicht lange danach erhielten die Schröders die erste Anfrage: ob er eine Lesung in der Weinbar veranstalten dürfe, so der Augsburger Autor Sepp Strubel. Damit zog 2001 die auditive Kunst in das kleine Lokale in der Altstadt ein. Bald darauf fand auch das erste Konzert statt, weitere folgten. „Es hatte sich herumgesprochen“, so Waltraud Schröder: Viele Augsburger Künstler wohnten in direkter Nähe und so zog eines das andere nach sich, die Location wurde Empfehlung, dann „Selbstläufer“. Bald fanden regelmäßig Konzerte statt, bis zu zwei im Monat. 2003 wurde dann eine ganze Veranstaltungsreihe daraus, mit zwei Flyern jährlich, mit Newsletter und einem Internet-Auftritt. „Insgesamt kommen wir auf etwa 350 Konzerte und 120 Musiker“, schätzt Gottfried Schröder. „Kein Einziges war eine Enttäuschung.“
Künstlerbetreuung, PR, Organisation – alles übernahmen die Eheleute Schröder selbst, und das gerne. „Kunst und Genuss passen gut zusammen“, sagt Waltraud Schröder und lächelt. Bei der Erinnerung kommen sie und ihr Mann ins Schwärmen. „Mein liebstes JazzWohnzimmer“, nannte Stephan Holstein die Weinbar. Jedes Konzert war gut besucht. Anfangs wurde noch während der Musik geredet, aber das gab sich schnell. Ein Stammpublikum bildete sich, eines, das gerne kommt und zuhört. Das Repertoire war breit gefächert. Jazz, Klassik, Gypsy, Tango, Chanson und vieles mehr. Es gastierten vor allem Augsburger Künstler. Aber sogar aus Köln kamen Anfragen. Mit höchstens 30 Gästen war die Atmosphäre in der Weinbar Schröder intim und intensiv, die kleine Bühne mit dem schwarzen Klavier ein Podium zum Ausprobieren und für Debüts: Stefanie Schlesinger sang hier, begleitet von ihrem Mann Wolfgang Lackerschmid, eines ihrer ersten Solokonzerte. Beide sind Künstler „der ersten Stunde“.
Sie waren auch bei der Abschiedsrunde dabei. „Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören“, so Gottfried Schröder. Jetzt, nach 15 Jahren, stellen die Schröders ihre Konzertreihe ein. „Aus Altersgründen“, wie sie sagen. Es wurde ihnen zu viel. „Eine schöne, eine interessante Zeit“, schwärmt Gottfried Schröder rückblickend. Die Konzerte „gehen mir ab“. Wehmut schwingt mit. Da lag Herzblut drin – manchmal auch Kampfgeist. Von jedem Auftritt gibt es ein Schwarz-Weiß-Foto. Die Wände der Weinbar sind voll damit.
Doch zwei Leidenschaften bleiben: das Lokal und die Galerie. Denn fast nebenbei ermöglichten die Schröders all die Jahre auch sechs Ausstellungen jährlich, rund 120 bis heute. Das soll weitergehen. Gottfried Schröder ist schließlich selbst Aktzeichner, war sechs Jahre lang „Ecke-Galerist“. Und er mag guten Wein, gutes Essen. Nach der Sommerpause gibt es Donnerstag, Freitag und Samstag abends wieder beides in der Weinbar Schröder. Das schwarze Klavier steht dann immer noch dort.