Sie ist Königin des Mehrkampfs
Martina Hierle vom TV Prittriching ist bayerische Meisterin im Jahn-Neunkampf. Die 31-jährige ist eine vielseitige Sportlerin: Denn zu diesem Wettkampf gehören Disziplinen aus Turnen, Leichtathletik und Schwimmen
Prittriching Martina Hierle ist viel unterwegs. In ihrem Beruf als Systemingenieurin und mit ihrem Sport, dem Jahn-Neunkampf, in dem sie vor Kurzem erst bayerische Meisterin in ihrer Altersklasse W30+ geworden ist. Zum Zeitpunkt des Gesprächs ist die 31-Jährige gerade beruflich auf den Kanalinseln vor der Küste Frankreichs.
Jahn-Neunkampf – das ist sicher keine alltägliche Sportart. Sie gehört zum turnerischen Mehrkampf, den es seit einigen Jahren gibt. Der Bayerische Turnverband (BTV) beschreibt die Jahn-Wettkämpfe als „Königsdisziplin unter den turnerischen Mehrkämpfen“. Laut dem BTV dürften sich die Jahn-Neunkämpfer also mit Fug und Recht als „Könige des Turnens beziehungsweise des Mehrkampfs“bezeichnen. Der Name Jahn geht auf Turnvater Jahn zurück, der die deutsche Turnbewegung initiierte. Der Neunkampf besteht aus den Sportarten Leichtathletik, Gerätturnen und Wassersport. Aus diesen Sportarten müssen die Athleten jeweils drei Disziplinen absolvieren. Bei der Leichtathletik sind es der 100-Meter-Lauf, Weitsprung und Kugelstoßen, beim Turnen Sprung, Stufenbarren und Boden, beim Schwimmen das Kunstspringen Ein-Meter-Brett, die 100 Meter Freistil und 25 Meter Tauchen auf Zeit. Martina Hierle ist eine der erfolgreichsten Jahn-Neunkämpferinnen in Bayern, sie gewann in diesem Jahr die bayerische Meisterschaft in ihrer Altersklasse.
Martina Hierle begann beim Turnverein Prittriching mit dem klassischen Gerätturnen. „Für das reine Turnen war ich aber zu schlecht“, erzählt sie lachend. Vor knapp zehn Jahren hat sie auf dem deutschen Turnfest zum ersten Mal vom Jahn-Neunkampf erfahren. Sie hat es ausprobiert und war prompt von Beginn an begeistert. Hierle fasziniert vor allem die Vielseitigkeit ihres Sports. „Man braucht in allen Disziplinen ein gewisses Niveau“, erklärt sie. Es sei der perfekte Sport für Allrounder. Ihr gefalle auch das freundschaftliche Miteinander unter den Konkurrenten. „Das kannte ich so vorher nicht. Da hilft man sich, das ist besonders“, sagt sie.
Die Disziplin, die sie am meisten schätzt, ist der 100-Meter-Lauf. Und das, obwohl sie eigentlich aus dem Turnen kommt, nicht etwa aus der Leichtathletik. Quälen hingegen müsse sie sich beim Schwimmen, „das mag ich eindeutig am wenigsten“, gibt sie zu.
Sie ist immer noch Mitglied im Turnverein Prittriching, einmal in der Woche trainiert sie dort die Turndisziplinen Stufenbarren, Boden und Sprung. Leichtathletik trainiert sie auf den öffentlichen Anlagen, „zum Schwimmen gehe ich in das nächstgelegene Freibad“. Dabei versucht sie, zumindest im Sommer während der Saison, alle Bereiche einmal in der Woche zu trainieren. Sechs bis acht Wochen vor einem Wettkampf beginnt sie dann mit der intensiven Vorbereitung. In der Saison gibt es drei Wettkämpfe: die Landesmeisterschaften, der Qualifikationswettkampf für die deutsche Meisterschaft und schließlich, als krönenden Abschluss, die deutschen Titelkämpfe. Im Qualifikationswettkampf für die deutsche Meisterschaft in Kehl am Rhein (Baden-Württemberg) starvom tete sie in der Altersklasse W30+. Nach den Turndisziplinen lag Hierle auf Rang zwei. In der Leichtathletik überzeugte sie dann und überholte die Konkurrenz. Vor allem in ihrer Lieblingsdisziplin, den 100 Metern auf der Tartanbahn, lief sie ihren Gegnerinnen davon. Den ersten Platz und die souveräne Qualifikation für die deutsche Meisterschaft rundete sie dann bei den Wasserdisziplinen ab.
Anfang Juli startete Hierle bei den bayerischen Landesmeisterschaften in Vilshofen an der Donau. Da sie die Qualifikation für die deutsche Meisterschaft bereits in der Tasche hatte, trat sie bei diesem Wettkampf ohne Druck an. Und prompt erzielte sie zwei persönliche Bestleistungen: Im Weitsprung schraubte sie ihre Bestweite auf 4,80 Meter, die 100 Meter lief sie in 13,86 Sekunden. „Ich habe in den Wochen zuvor konsequent trainiert“, analysiert Hierle ihre Bestleistungen. „Und die Tagesform war auch gut“, fügt sie an.
Ihr nächstes Ziel ist jetzt eine Platzierung unter den ersten Zehn bei der deutschen Meisterschaft in Einbeck (Niedersachsen) im September. „Im Moment habe ich vor, dort zu starten“, teilt sie mit. Nicht immer fuhr sie zur deutschen Meisterschaft, der Aufwand ist enorm. Martina Hierle lebt inzwischen in Weßling am Wörthsee, auch neben dem Jahn-Neunkampf liebt sie es sportlich – sie geht gerne Fahrradfahren. In Bayern gibt es immer weniger Jahn-Neunkämpfer. Martina Hierle bedauert das: „Ich finde es schade, dass es mittlerweile so wenige machen, vor allem so wenig Jüngere, weil es so ein Allroundsport ist. Der Nachteil ist definitiv der Aufwand, aber ansonsten wäre es schön, wenn ein paar nachziehen würden“, meint die Königin des Mehrkampfs.