Lyrische Momente, jähe Blitze
Das Andy Sheppard Quartet erzeugte im Botanischen Garten ein weites Panorama an Stimmungen
Es wäre ein Jammer gewesen, hätte der zarte Regenversuch kurz vor Konzertbeginn im Botanischen Garten richtig Ernst gemacht. Doch dann war wettertechnisch alles für das Andy Sheppard Quartet gerichtet. Der Sommerabend hielt im jüngsten Konzert des Jazz-Sommers: Anstelle einer drohenden Indoor-Ausweichveranstaltung in der Glashalle konnte der spezielle Sound des Ensembles frei ausschwingen. Und der korrespondiert nun mal besonders intensiv mit den natürlichen Gegebenheiten im Freien – Sommerluft, ziehende Abendwolken, sogar die fernen Blitze des günstigerweise abziehenden dunklen Gewitterteils passten zum musikalischen Geschehen.
Der britische Top-Saxofonist Andy Sheppard (Tenor, Sopran) ist vor allem ein Sound-Poet, der mit lyrischer Inbrunst in die harmonisch-gestischen Räume gleitet, die Marco Tintiglia mit Gitarre und Electronic-Alchimie öffnet und anbietet. Wenn dann Michel Benita am Kontrabass feine Akzente tuscht, sich Sebastian Rochford fast flüsternd mit filigranen PercussionElementen meldet, dann entstehen in diesen sphärisch klingenden Passagen starke kontemplative, lyrische Momente.
Und um im Wetterbild zu bleiben: Der sanfte Klangstrom ist durchaus imstande, sich dramatisch dunkel zu verdichten, Schlagzeuggewitter ausbrechen zu lassen, archaische Klangblöcke zu wuchten, die Benitas elastisch federnder Bass umspielt. Bemerkenswert ist, dass nicht mit der bloßen Lust am Kon- trast gespielt wird, sondern sich die Stimmungsänderungen organisch entwickeln. Rauchiger Blues- oder greller Rock-Ton von Sax und Gitarre können in überraschende melodiöse Einfachheit wechseln. Oder umgekehrt: Aus einer schlichten britisch-keltischen Folk-BalladenAnmutung bildet sich eine mächtig orchestrierte Variationenfolge. Das Andy Sheppard Quartet – ein Klang-Chamäleon. Beifallgewitter.