Kino zum Wohlfühlen
Sommer und Lechflimmern gehören für die Menschen in der Region zusammen. Sie kommen wegen der Gemütlichkeit, der Entspannung und natürlich auch wegen der Filme
Das Gespräch vor dem Lechflimmern am Mittwoch erinnert ein wenig an Engelchen und Teufelchen, die beide auf der Schulter sitzen und auf jemanden einreden. „Es sieht ganz hell aus, wenn ich aus dem Fenster schaue. Ja wirklich! Im Westen scheint die Sonne. Das Wetter wird halten. Lass uns ins Freiluftkino gehen“, sagt der eine. „Nein, es schüttet! Ich habe schon eine Unwetterwarnung auf dem Handy. Das Kino fällt ins Wasser“, sagt der andere. Und tatsächlich: Über Augsburg braut sich etwas zusammen. Eine Stunde vor Einlass ziehen dunkle Wolken auf, stellenweise blitzt und regnet es.
Die Zuversicht siegt. Auf dem Gelände des Familienbads am Plärrer folgt die Bestätigung: Familien, Pärchen, Cliquen und einzelne Kinogänger zieht es schwer bepackt mit Tüten und Taschen über die Liegewiesen. Decken und Sitzkissen gehören fast schon zum Standardprogramm. Die Freundinnen Tabea Fischer, Anna Pentz und Larissa Bergmair aus Augsburg haben es sich auf einer großen Picknickdecke gemütlich gemacht. Sie wollen die Reisedoku „Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“im Liegen ansehen. Umgedrehte Plastikstühle dienen als Lehne, es gibt Wassermelone und Chips.
Der Film, der von einem Pärchen aus Freiburg erzählt, das in dreieinhalb Jahren die Welt zu Fuß, als Anhalter und mit dem Schiff umrundete, wurde ihnen empfohlen. „Ges- tern haben wir uns dann spontan für heute verabredet und haben das Kombiticket gekauft, so konnten wir davor auch noch schwimmen gehen“, erzählt Tabea Fischer. Für sie und ihre Freundinnen ist das Lechflimmern ein gemütlicher Treffpunkt. „Hier kann man schön entspannen und vor dem Film noch zusammen abhängen“, sagt Larissa Bergmair. Die besondere Atmosphäre ist es auch, warum Sabine Kroner aus Mering gemeinsam mit ihrer Tochter Natalie mindestens einmal jährlich das Lechflimmern besucht. An diesem Abend ist es vor allem auch der Film. „Ich habe ihn schon gesehen. Er gefällt mir total gut“, sagt Sabine Kroner begeistert. In diesem Jahr will sie selber zwei Wochen auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela laufen. Der Film ist für sie die pure Motivation. „Er hat sich zu einem Publikumsliebling entwickelt“, bestätigt Wolfgang Schick vom Kinodreieck.
Immer mehr weiße Plastikstühle stehen inzwischen auf der Wiese. Grüne, rote, gemusterte oder karierte Decke liegen darüber. „Der Trend geht zum Drittstuhl“, sagt Wolfgang Schick mit einer gespielten Übertreibung, wohl wissend, dass vielen Besuchern ein Stuhl nicht ausreicht und sie neben einem zum Sitzen meist noch einen für die Beine benötigen. „Wenn wir Gäste wie Elmar Wepper oder Sebastian Bezzel erwarten, dann bestuhlen wir die Wiese selber. Denn dann wird wirklich jede einzelne Sitzmöglichkeit gebraucht.“An diesem Abend ist es anders. Die Gewitterwolken ziehen nur langsam vorbei, immer wieder blitzt es. Ob es noch regnet?
Barbara und Eduard Motzke glauben nicht daran. Sie sind zuversichtlich, dass das Wetter hält – schließlich haben sie sich zuerst den Tag wegen des vermeintlich guten Wetters ausgeguckt und dann erst ins Programm geschaut: Sie haben sich für das oscarprämierte Drama „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“entschieden, genauso wie Reiner und Martina Faßnacht aus Neusäß und Markus Frisch aus Augsburg. Sie haben gleich unter einem großen Schirm Platz genommen – sicher ist sicher, Schlafsack, Kissen, Socken und Pullis liegen griffbereit. Sie sind eingefleischte Fans des Lechflimmern. „Zehn bis 15 Mal gehen wir in der Saison. Kino im Freien ist einfach das Beste“, sagt die Neusässerin. Natürlich haben sie in das neue Programm gespitzelt, das an diesem Abend verteilt wird. „Jim Knopf, Grüner wird’s nicht, Hurtigruten und Sauerkrautkoma wollen wir auf jeden Fall noch ansehen“, sagt sie.
Die Wiese vor der großen Leinwand, wo die Reise-Doku gezeigt wird, hat sich gefüllt. Viele Zuschauer sind erst kurz vor der Filmvorführung gekommen. „Wir bekommen täglich zahlreiche Anrufe. Die meisten wollen wissen, wann wir genau mit dem Film starten“, erklärt Wolfgang Schick. Ein Pärchen spielt zum Zeitvertreib Backgammon. Es blitzt und donnert, als die Filme beginnen. Doch es regnet nicht. Irgendwann werden auch die Wolken weniger und die ersten Sterne am Nachthimmel sichtbar.
In der Pause des Films, um kurz vor 23 Uhr, fliegt die Internationale Raumstation ISS gut sichtbar am Himmel über Augsburg hinweg. Sie transportiert ebenfalls Reisende, die die Welt umrunden. Die ISS benötigt dafür allerdings nur 90 Minuten.