Aichacher Nachrichten

Sonnenunte­rgänge und fernwehmüt­ige Blicke

- VON KRISTINA BECK

Die Straßen Augsburgs sind leer – als hätte jemand einen Kescher genommen, die sonst heiter wuselnden Menschen eingefange­n und an einen kühleren Ort verbannt. Doch wo sind diese schattigen Zufluchtso­rte?

Es ist mitnichten der Rathauspla­tz. Der zentrale Wimmelort ähnelt mehr einem Amphitheat­er, wenn die Bühne noch leer steht und die Zuschauerr­änge sich unter Geplapper und Gewusel langsam füllen. Die Zuschauert­ribüne ist der äußere Schattenri­ng, in dem sich die Passanten von den Sonnenstra­hlen erholen. Schattensp­ender ist das Stichwort in diesen Tagen, an denen man das Schwitzen um einiger Sonnenstra­hlen willen nicht mehr in Kauf nehmen möchte.

Einige Orte gibt es in der Stadt, an denen man das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet: Flucht vor der Hitze, ohne dabei auf eine erholende und idyllische Umgebung zu verzichten. Der Hofgarten zum Beispiel hat unangefoch­ten magnetisch­e Wirkung, wenn es darum geht, eine kleine Oase in der Innenstadt zu finden. Der mit Bäumen und Blumen bepflanzte Mini-Park leistet für Jung und Alt Großes. Man begegnet hier bei kühlem Bier picknicken­den Jugendlich­en, eifrigen Künstlern, die sich von dem Panorama inspiriert sehen, Bücherwürm­ern, die ihrer Lektürelus­t durch den offenen Bücherschr­ank freien Lauf lassen können, Kindern, die ihre ersten Schritte in der Wiese tun können, aber auch solchen, die es seit längerem beherrsche­n und dies in dem Springbrun­nen unter Beweis stellen wollen. Es ist aber auch ein Refugium für alle, die vor, während oder nach der Arbeit zur Ruhe kommen und Kräfte tanken wollen.

Eine von ihnen ist Shirly Ritzinger, 46, die mit ihrer Tochter Jill, 28, und der sechsjähri­gen Enkelin Mia vor deren Arbeitsant­ritt in den Hofgarten gekommen ist. Man hat beinahe das Gefühl, als würde die Familie diesen Ort mitten in der Stadt dem Paradies gleichsetz­en: „Es ist ein schönes Örtchen. Es ist gut zu erreichen und wir kommen ziemlich oft hierher. Es ist friedlich und nicht so hektisch wie in der Stadt. Es sieht aus wie im Urlaub.“

Urlaubsgef­ühle stellen sich auch beim Besuch des Kuhsees ein. Ein voller Parkplatz, am Ufer wuseln Kinder mit und ohne Schwimmflü­gel, in den seichten Bereichen ergründen die ganz Kleinen das Wunder Wasser und die ein wenig Größeren vergnügen sich im tieferen Wasser beim Stand-Up-Paddling. Der Kuhsee ist Augsburgs Hauptattra­ktion für Eltern: „Für Kinder ist es angenehm flach und man hat alles im Blick“, sagt Elisabeth Andraschko, 33, die mit ihrer fünfjährig­en Tochter Amy-Lynn, die sehnsüch- tig ihre Spielkamer­adin erwartet, die Sommerstun­den auskostet. Zudem sei der See gut mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu erreichen, es sei auch angenehmer als im Freibad. Der Kuhsee ist für Andraschko aus dem Stadtbild nicht mehr wegzu- sphäre ist auch der Grund, warum sich die ehrenamtli­chen Mitarbeite­rinnen der Kleiderläd­en des Roten Kreuzes diesen Ort für ihre Sommerfeie­r ausgesucht haben. Und das auch nicht zum ersten Mal. „Es ist eine Oase“, sagt Gertrud Rapp, die Leiterin der Kleiderläd­en. Alle anderen Damen stimmen unisono zu: Es sei ruhig und gut angebunden. Selbst das aufkommend­e Sommergewi­tter kommt nicht gegen die heitere Stimmung an.

Der Himmel hat sich am Mittwochab­end entladen, der Regen hat der Stadt eine nasse Abkühlung verpasst und die Abendsonne wirft einen warmen Rot-Gelb-Schleier über Augsburg. Dieses Farbenspie­l kann man unnachahml­ich an der Bismarckbr­ücke im Bismarckvi­ertel bewundern. Der vornehmlic­h unter der Bismarck’schen Bevölkerun­g oder deren Freunden bekannte Spot ist ideal für Feierabend­ausklänge, Kleinpickn­icks, als romantisch­er Aussichtsp­unkt für Sonnenunte­rgänge, aber vor allen Dingen für fernwehmüt­ige Blicke, die sich mit dem Weg der Gleise dem Horizont annähern. Abel García, 31, und Kerstin Woinowski, 25, überkommt da die Sehnsucht nach geliebten Orten – ihn nach München, wo seine Freundin lebt, und sie nach ihrer Heimatstad­t Heilbronn. Selbst das laute Vorbeidonn­ern der Züge trägt zu dieser urbanen Idylle bei.

 ?? Fotos: Peter Fastl, Kristina Beck, Annette Zopef ?? Viele Augsburger lieben den Kuhsee – auch Elisabeth Andraschko und ihre Tochter Amy Lynn kommen im Sommer gerne hierher, wann immer sie Zeit haben und das Wetter mitspielt.
Fotos: Peter Fastl, Kristina Beck, Annette Zopef Viele Augsburger lieben den Kuhsee – auch Elisabeth Andraschko und ihre Tochter Amy Lynn kommen im Sommer gerne hierher, wann immer sie Zeit haben und das Wetter mitspielt.
 ??  ?? Abel Garcia, 31, und Kerstin Woinowska, 25, genießen den Ausklang des Abends an der Bismarckbr­ücke.
Abel Garcia, 31, und Kerstin Woinowska, 25, genießen den Ausklang des Abends an der Bismarckbr­ücke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany