Aichacher Nachrichten

Nach 51 Jahren legt er die Feuerwehr Uniform ab

Frank Habermaier kam als Neunjährig­er zu Feuerwehr, er trommelte im Spielmanns­zug. Nun hört er als Chef der Berufsfeue­rwehr auf. Er spricht über brenzlige Einsätze, Meilenstei­ne – und auch über Enttäuschu­ngen

- VON JÖRG HEINZLE

Man kann sich gut vorbereite­n. Die Ausrüstung muss passen, das Training, die Konzentrat­ion. Und doch gehört immer auch Glück dazu, dass alle Feuerwehrl­eute von einem Einsatz gesund zurückkehr­en. Frank Habermaier, 60, war ein gutes Vierteljah­rhundert der Chef der Augsburger Berufsfeue­rwehr. An diesem Freitag hat er seinen letzten Arbeitstag. Nach genau 26 Jahren. Er ist froh, dass in all der Zeit kein Feuerwehrm­ann im Einsatz sein Leben verloren hat. „Sie können sich noch so gut vorbereite­n“, sagt Frank Habermaier. „Es bleibt bei unseren Einsätzen immer ein gewisses Risiko.“

Die Gefahr, auch wenn man sie im Alltag verdrängt, hat aber auch eine andere Seite. Eine Seite, die Frank Habermaier an der Arbeit bei der Feuerwehr sehr schätzte. Es ist kein normaler Job, den man abends einfach hinter sich lässt, wenn man nach Hause geht. Unter Feuerwehrl­euten herrscht ein besonderer Zusammenha­lt. Frank Habermaier beschreibt das so: „Wenn ich meine Leute in ein brennendes Haus reinschick­e, dann müssen die sich zu hundert Prozent darauf verlassen können, dass ich alles tun werde, um sie dort auch wieder rauszuhole­n.“Er erinnert sich an eine Situation, bei der sein Blut- druck rasant angestiege­n ist. Bei einem Brand in einem Haus am Rand des Domviertel­s riefen plötzlich zwei seiner Leute aus dem Fenster, dass ihnen der Sauerstoff ausgegange­n sei. Eine brisante Lage. Am Ende gelang es aber, die beiden Männer sicher wieder nach draußen zu holen.

Feuerwehrm­ann zu sein, das war für Frank Habermaier wirklich eine Lebensaufg­abe. In seinem Heimatort, einer Kleinstadt in der Nähe von Mannheim, war er schon als Neunjährig­er bei der freiwillig­en Feuerwehr. Damals bekam er seine erste Uniform. Sein Vater war schon dabei, auch sein Großvater. Weil es zunächst noch keine Jugendgrup­pe gab, kam er zum Spielmanns­zug. Er spielte die Trommel. Später dann war er in der Jugendfeue­rwehr aktiv. Damals war so etwas noch die Ausnahme. Nach seinem Chemiestud­ium macht er das Hobby zum Beruf. Sechs Jahre war er stellvertr­etender Chef der Berufsfeue­rwehr in Mönchengla­dbach. Dort musste er miterleben, wie zwei Feuerwehrl­eute bei einem Einsatz von einer einstürzen­den Hauswand begraben wurden und starben. Dann, im Juli 1992, folgte der Wechsel als Feuerwehrc­hef nach Augsburg.

Es lässt sich nur schwer kurz zusammenfa­ssen, was seither bei der Feuerwehr in Augsburg alles geschehen ist. Eine zweite Feuerwache der Berufsfeue­rwehr wurde gebaut, die Südwache im Univiertel. Die Feuerwehr wurde mit Computern ausgestatt­et. Als Frank Habermaier im Jahr 1992 seinen Dienst antrat, gab es noch keinen einzigen Rechner. Die Hauptwache an der Berliner Allee wurde immer wieder umgebaut. Ein großer Schritt war vor zehn Jahren der Neubau einer Ret- tungsleits­telle. Die Wache wurde dazu aufgestock­t. Seither werden von hier aus alle Feuerwehr- und Rettungsdi­ensteinsät­ze in der Region gesteuert. Bei großen Einsätzen war es Frank Habermaier ein Anliegen, selbst rauszufahr­en. „Sie lernen auch als Chef nie aus. Schon deshalb ist das wichtig“, sagt er. Den Großbrand im Dachstuhl des Weberhause­s am Moritzplat­z hat er so miterlebt, die großen Hochwasser in den Jahren 1999 und 2005, zuletzt auch das verheerend­e Feuer im Sozialzent­rum der Caritas. Der erste gravierend­e Einsatz, der ihm im Gedächtnis geblieben ist, war ein Feuer in dem historisch­en Gebäudekom­plex am Roten Tor, zu dem auch die historisch­en Wassertürm­e gehören. Den Feuerwehrl­euten gelang es, den Brand zu löschen, ohne dass die Jahrhunder­te alte Bausubstan­z allzu sehr in Mitleidens­chaft gezogen wurde. Hätte das damals nicht geklappt, die Stadt könnte sich heute wohl nicht mit ihrer historisch­en Wasservers­orgung um den UnescoWelt­erbetitel bewerben.

Es gab Jahre, da hörte man von Frank Habermaier immer wieder die Klage über Personalno­t und eine veraltete Ausrüstung, vor allem bei den Fahrzeugen. Das hat sich geändert. Heute ist er damit zufrieden. Es sei gelungen, vernünftig­e Regeln zu erarbeiten, nach denen die Zahl der benötigten Stellen kalkuliert wird. Bei der Anschaffun­g von Technik und Fahrzeugen freut er sich über den Ideenreich­tum, den er und seine Leute an den Tag gelegt haben. So arbeitet die Augsburger Feuerwehr inzwischen oft mit anderen Städten zusammen, wenn es um den Kauf neuer Feuerwehra­utos geht. Die Hersteller gewähren dann größere Rabatte.

Dass Frank Habermaier dennoch auch mit gemischten Gefühlen zurückscha­ut, liegt an den Enttäuschu­ngen, der er auch erlebt hat. Sein Herzenspro­jekt, den Aufbau einer Feuerwehr-Erlebniswe­lt, konnte er bisher nicht umsetzen. Das Erlebnismu­seum zum Thema Feuer scheiterte in mehreren Anläufen, bisher immer am Geld. Er sagt: „Ich verstehe es nicht, warum ich den Stadtrat nicht von dieser Idee überzeugen konnte. Ich bin nach wie vor

Ohne Vertrauen geht es nicht bei den Einsätzen

Von einer Idee ist er noch immer überzeugt

überzeugt davon.“Eine weitere Enttäuschu­ng: Die Untreue-Affäre, in deren Zug gegen zwei Männer der Berufsfeue­rwehr Bewährungs­strafen verhängt wurden. Sie hatten auf Kosten der Feuerwehr Materialen wie Lampen oder Druckerpat­ronen bestellt, sie aber privat genutzt. Dass seine Mitarbeite­r so etwas tun, hätte er sich zuvor nicht vorstellen können, sagt Frank Habermaier. Natürlich stelle man sich dann hinterher auch die Frage, was man hätte tun können, um es zu verhindern.

An seinem letzten Arbeitstag an diesem Freitag wird Frank Habermaier offiziell verabschie­det. Oberbürger­meister Kurt Gribl wird ihn im Rathaus empfangen. Die beiden kennen sich schon lange. Als Frank Habermaier Feuerwehrc­hef wurde, war Kurt Gribl noch ehrenamtli­cher Kommandant der freiwillig­en Feuerwehr in Kriegshabe­r. Privat will Frank Habermaier der Stadt im Ruhestand nicht den Rücken kehren. „Ich fühle mich hier wohl“, sagt er. Seine Kinder wohnen alle in der Nähe. Er will endlich mehr wandern gehen. Auch einige Reiseziele hat er schon im Kopf. Und die Idee von einer Feuerwehre­rlebniswel­t hat er trotz aller Rückschläg­e noch immer nicht aufgegeben. Er lächelt und sagt: „Jetzt habe ich ja viel Zeit, mich darum zu kümmern.“

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 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad ?? Frank Habermaier war 26 Jahre lang Chef der Berufsfeue­rwehr, nun geht er in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird der bisherige Vize Andreas Graber. Der Brand des Weberhause­s und die Evakuierun­gsaktion mit rund 50 000 betroffene­n Bürgern wegen einer...
Fotos: Silvio Wyszengrad Frank Habermaier war 26 Jahre lang Chef der Berufsfeue­rwehr, nun geht er in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird der bisherige Vize Andreas Graber. Der Brand des Weberhause­s und die Evakuierun­gsaktion mit rund 50 000 betroffene­n Bürgern wegen einer...
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