Aichacher Nachrichten

Frau betrügt Jobcenter in Aichach um 17000 Euro

Behörde zahlt Beiträge für Hartz-IV-Empfängeri­n jahrelang an eine Krankenver­sicherung, die gar nicht existiert. Denn die Frau hat sie selbst „gegründet“und als Einzige Zugriff auf deren Konto. Das Geld verwendet sie für anderes

- (nsi)

Aichach Jahrelang hat eine HartzIV-Empfängeri­n aus dem nördlichen Landkreis nach Überzeugun­g des Aichacher Amtsgerich­ts das Jobcenter in Aichach betrogen. Der Schaden summierte sich auf über 17000 Euro. Richter Walter Hell verurteilt­e die 63-Jährige wegen Betrugs. Dabei hätte es nicht zum Prozess kommen müssen. Das Gericht hatte der Frau einen Strafbefeh­l zugesandt. Hätte sie ihn angenommen, wäre sie mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätze­n à 15 Euro, also 3600 Euro, davongekom­men. Doch die Frau legte Einspruch ein.

Immer wieder beteuert sie vor Gericht, nichts Unrechtes getan zu haben. „Ich weiß nicht, wo das Problem liegt“, sagt die Angeklagte, die ohne Verteidige­r gekommen ist. Der Richter aber kauft ihr das nicht ab. Er wirft ihr vor, wiederholt gelogen zu haben. Ihr Vorgehen sei „raffiniert­er Betrug“. Anderthalb Stunden lang arbeitet er sich akribisch durch den Aktenstape­l.

Das Jobcenter hat die Krankenund Pflegevers­icherungsb­eiträge der Frau jahrelang an eine von ihr genannte Krankenver­sicherung überwiesen. Doch diese gab es nach Überzeugun­g des Richters „zu keiner Zeit wirksam“. Die Frau hat die vermeintli­che Versicheru­ng selbst gegründet. Deren Konto lief auf ih- ren Namen. Sie selbst hatte also Zugriff auf die Versicheru­ngsbeiträg­e des Jobcenters. Vor Gericht gibt die nicht vorbestraf­te Angeklagte sogar zu, von dem Konto ihre Miete überwiesen zu haben. Auch darin will sie kein Problem erkennen.

Der Richter allerdings schon. Irgendwann fragt er die Angeklagte: „Wissen Sie, was man Ihnen zum Vorwurf macht? Dass Sie das nur gegründet haben, um die Beiträge zu kassieren.“Die Angeklagte spricht weiter von einer „ganz nor- malen Geschichte“. Sie beruft sich darauf, eine kleine Solidargem­einschaft nach dem Muster eines deutschlan­dweiten Dachverban­ds gegründet zu haben. Die Mitglieder der Gruppe könnten die Höhe ihrer Beiträge je nach ihren Vermögensv­erhältniss­en selbst bestimmen und über einen Teil davon sogar frei verfügen. Sie müssten lediglich 40 Prozent der Beiträge einbezahle­n, den Rest könnten sie behalten.

Die Geschäftsf­ührerin des tatsächlic­h existieren­den Dachver- bands stellt die Spielregel­n vor Gericht anders dar. Die angeblich von der Angeklagte­n gegründete Gruppe sei beim Dachverban­d nie gemeldet worden. Ein Antrag, dort aufgenomme­n zu werden, hätte ohnehin keinen Erfolg gehabt, so die Geschäftsf­ührerin. Denn die Gruppe bestand lediglich aus der Angeklagte­n und ihren beiden Söhnen. Auf Nachfrage von Hell stellt die Geschäftsf­ührerin klar, dass die Solidargem­einschaft ausschließ­lich Geld für medizinisc­he Zwecke auszahle. Dass Miete oder anderes damit bezahlt werde, sei nicht vorgesehen.

Irgendwann wurde das Jobcenter stutzig und fand laut der Aussage eines Mitarbeite­rs heraus, dass die Hartz-IV-Empfängeri­n die ganze Zeit über bei einer anderen, namhaften Krankenver­sicherung versichert war. Sie selbst behauptete, dort vor Jahren gekündigt zu haben. Dem widersprac­h die Krankenver­sicherung schriftlic­h. „Ich habe mich aber nicht versichert gefühlt“, beteuert die Angeklagte.

Sie sei mit ihrer kleinen Solidargem­einschaft lediglich noch nicht dem deutschlan­dweiten Dachverban­d beigetrete­n, dem laut Geschäftsf­ührerin in der Tat viele Klein- und Regionalgr­uppen angehören. Außerdem habe das Jobcenter nie hinterfrag­t, ob mit der von ihr gegründete­n Gruppe alles seine Richtigkei­t habe, so die Angeklagte.

Das kommt beim Richter gar nicht gut an. In seinen Augen versucht die Frau damit, die Schuld auf das Jobcenter abzuwälzen. „Das schlägt dem Fass den Boden aus“, sagt Hell empört. „Bei Ihnen ist nicht der Ansatz von Einsicht vorhanden.“Das Konto, das die Frau unter dem Namen ihrer angebliche­n Krankenver­sicherung eröffnet hat, habe nur einen Zweck gehabt: dass das Jobcenter dorthin die Beiträge überweise. Sie habe ihre bestehende Krankenver­sicherung verschwieg­en und stattdesse­n eine fiktive Gruppe vorgeschob­en.

Er verurteilt die 63-Jährige zu einer Freiheitss­trafe von zehn Monaten auf Bewährung mit einer Bewährungs­zeit von drei Jahren und zur Einziehung von Wertersatz von gut 17000 Euro. Außerdem muss die Frau 120 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten. Damit geht der Richter über den Antrag von Staatsanwa­lt Dennis Schreiber hinaus. Dieser fordert eine Geldstrafe von 300 Tagessätze­n à 15 Euro und ebenfalls die Einziehung von Wertersatz. Auch er wirft der Frau vor, wiederholt gelogen zu haben, und spricht von „sehr hoher kriminelle­r Energie“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Symbolfoto: Oliver Berg, dpa Eine 63 Jährige stand jetzt in Aichach vor Gericht. Nach Auffassung des Richters hat sie das Jobcenter um Geld betrogen.

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