Wo Stimmungen zu Stimmen werden
Abgeordneter Ulrich Lange zu Erfolgen und Enttäuschungen. Wie er seine denkwürdigste Nacht in 25 Jahren politischer Arbeit erlebt hat
Aichach Friedberg Wie sich politische Entscheidungen in Berlin, für die er mitverantwortlich ist, konkret als Verbesserung für seine Heimatregion auswirken, erlebt Ulrich Lange in jeder Sitzungswoche. Früher ist der CSU-Bundestagsabgeordnete aus Nördlingen am frühen Montagmorgen mit dem Auto zum Flughafen nach Nürnberg oder München gefahren und dann an seinen Arbeitsplatz geflogen – freitags das Gleiche in die andere Richtung. Stress pur, vor allem durch die überfüllten Autobahnen. Seit der Aufstufung des Bahnhofs in Donauwörth zum ICE-Systemhalt steigt Lange in Nördlingen in die Regionalbahn und wechselt in der Kreisstadt auf den Schnellzug. Der fährt jetzt nach dem Bau der neuen Schnellstrecke in nur vier Stunden durch bis in die Bundeshauptstadt. Lange ist von Haustür bis Bürotür rund fünf Stunden unterwegs, kann nebenbei arbeiten und kommt entspannt an. Für den Verkehrspolitiker ist die bessere Bahn-Anbindung ein großer Erfolg und das Angebot werde immer besser genutzt.
Wie sich politische Unzufriedenheit in der Region konkret auf sein persönliches Ergebnis auswirkt, das hat der 49-jährige Lange bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst erlebt. 2009 zog er als Direktkandidat zum ersten Mal ins Parlament ein. Zu seinem Wahlkreis Donau-Ries gehören die Landkreise Donau-Ries und Dillingen sowie acht Kommunen im nördlichen Teil des Wittelsbacher Landes: Pöttmes, Baar, Inchenhofen, Kühbach, Schiltberg, Aindling, Petersdorf und Todtenweis. Mit rund 60 Prozent verteidigte er 2013 sein Mandat und holte damit eines der besten persönlichen Ergebnisse für die Union in ganz Deutschland. Beim Urnengang vor einem knappen Jahr kam er dann nur noch auf 47 Prozent, obwohl er einige Erfolge für seinen Wahlkreis vorweisen kann und im Bundestag alles andere als ein Hinterbänkler ist. Lange war in der vorherigen Periode verkehrspolitischer Sprecher der Union und ist mittlerweile in den geschäftsführenden Fraktionsvorstand von CDU/ CSU aufgerückt. Er spricht also mit, wenn die Mehrheitsfraktion ihre Linien absteckt.
Vor Ort hat ihm das aber nichts geholfen, auch wenn er zumindest in den Gemeinden im Landkreis Aichach-Friedberg deutlich besser abgeschnitten hat als im gesamten Wahlkreis. Er blieb immer über der 50-Prozent-Marke – Ergebnis für die acht Kreiskommunen: 54,5 Prozent. Lange macht keinen Hehl daraus, dass ihn sein persönliches Ergebnis getroffen hat. Man kämpfe gegen Stimmungen, die mit der eigenen politischen Arbeit vor Ort gar nichts mehr zu tun hätten. Bei Ergebnissen von über 20 Prozent für die AFD wie in Todtenweis, schüttelt Lange noch heute ungläubig den Kopf. Diese Partei kümmere sich weder um regionale Themen noch sei sie vor Ort präsent und Lösungsansätze hätte sich schon gar keine anzubieten.
Lange spricht von einem Denkzettel und kennt natürlich auch die Ursache für die erdrutschartigen Verluste seiner Partei. Ein einziges Thema, die Asylpolitik, habe alles andere überlagert: „Ein Teil der Menschen war dadurch stark verunsichert.“Und was ist die richtige Antwort darauf? „Es darf nichts unter den Tisch gekehrt werden.“Und es müsse natürlich Lösungen für Probleme geben, die sich nicht leugnen ließen. Den von Bundesinnenminister Horst Seehofer vorgelegten Masterplan Integration hält er für einen guten Lösungsansatz: „Inhalt- lich hat eigentlich kaum jemand was auszusetzen.“Das Sommertheater, das CSU und CDU im Asylstreit abgeliefert haben, findet Lange dagegen überhaupt nicht gut. Der Abend in München bei der Sitzung des Parteivorstandes zusammen mit der CSU-Landesgruppe sei eine der denkwürdigsten politischen Versammlungen gewesen, die er in den 25 Jahren seiner Laufbahn als Politiker erlebt habe: Seehofers Rücktrittsankündigung und der Rücktritt vom Rücktritt sei sehr irritierend gewesen. Lange betont, dass eine Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag bei der Fraktion selbst nie zur Disposition stand: „Im Vorstand von CDU und CSU waren wir uns alle einig, dass wir unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen wollen.“
Allerdings hätte das die Fraktionsspitze (Volker Kauder und Alexander Dobrindt) den beiden Hauptakteuren, Kanzlerin Angela Merkel und Seehofer, auch früher deutlich klarmachen müssen, sieht Lange mehrere Fehler, die zu einer unnötigen Eskalation geführt hätten. Fakt sei, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen gesteuert und begrenzt werden müsse, damit die Gesellschaft nicht weiter gespalten werde. Er hofft, dass sich über die Sommerpause die hitzige Atmosphäre wieder beruhigt und Sachpolitik wieder in den Vordergrund rückt – und vor allem auch andere Themen wie die Migration.
Und da kann Lange einiges abdecken. Er galt als Kandidat für einen Staatssekretärposten, sieht sich durch seine jetzige Aufgabe aber sogar noch breiter aufgestellt. Als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion ist er zuständig für die Bereiche Verkehr, digitale Infrastruktur und Bau. Laut Lange geht es dabei um 70 Prozent des Investitionsvolumens des Bundes. Alles Politikfelder für Verbesserungen im ländlichen Raum wie im eigenen Wahlkreis – siehe ICE-Halt.