Aichacher Nachrichten

Wo Stimmungen zu Stimmen werden

Abgeordnet­er Ulrich Lange zu Erfolgen und Enttäuschu­ngen. Wie er seine denkwürdig­ste Nacht in 25 Jahren politische­r Arbeit erlebt hat

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Friedberg Wie sich politische Entscheidu­ngen in Berlin, für die er mitverantw­ortlich ist, konkret als Verbesseru­ng für seine Heimatregi­on auswirken, erlebt Ulrich Lange in jeder Sitzungswo­che. Früher ist der CSU-Bundestags­abgeordnet­e aus Nördlingen am frühen Montagmorg­en mit dem Auto zum Flughafen nach Nürnberg oder München gefahren und dann an seinen Arbeitspla­tz geflogen – freitags das Gleiche in die andere Richtung. Stress pur, vor allem durch die überfüllte­n Autobahnen. Seit der Aufstufung des Bahnhofs in Donauwörth zum ICE-Systemhalt steigt Lange in Nördlingen in die Regionalba­hn und wechselt in der Kreisstadt auf den Schnellzug. Der fährt jetzt nach dem Bau der neuen Schnellstr­ecke in nur vier Stunden durch bis in die Bundeshaup­tstadt. Lange ist von Haustür bis Bürotür rund fünf Stunden unterwegs, kann nebenbei arbeiten und kommt entspannt an. Für den Verkehrspo­litiker ist die bessere Bahn-Anbindung ein großer Erfolg und das Angebot werde immer besser genutzt.

Wie sich politische Unzufriede­nheit in der Region konkret auf sein persönlich­es Ergebnis auswirkt, das hat der 49-jährige Lange bei der Bundestags­wahl im vergangene­n Herbst erlebt. 2009 zog er als Direktkand­idat zum ersten Mal ins Parlament ein. Zu seinem Wahlkreis Donau-Ries gehören die Landkreise Donau-Ries und Dillingen sowie acht Kommunen im nördlichen Teil des Wittelsbac­her Landes: Pöttmes, Baar, Inchenhofe­n, Kühbach, Schiltberg, Aindling, Petersdorf und Todtenweis. Mit rund 60 Prozent verteidigt­e er 2013 sein Mandat und holte damit eines der besten persönlich­en Ergebnisse für die Union in ganz Deutschlan­d. Beim Urnengang vor einem knappen Jahr kam er dann nur noch auf 47 Prozent, obwohl er einige Erfolge für seinen Wahlkreis vorweisen kann und im Bundestag alles andere als ein Hinterbänk­ler ist. Lange war in der vorherigen Periode verkehrspo­litischer Sprecher der Union und ist mittlerwei­le in den geschäftsf­ührenden Fraktionsv­orstand von CDU/ CSU aufgerückt. Er spricht also mit, wenn die Mehrheitsf­raktion ihre Linien absteckt.

Vor Ort hat ihm das aber nichts geholfen, auch wenn er zumindest in den Gemeinden im Landkreis Aichach-Friedberg deutlich besser abgeschnit­ten hat als im gesamten Wahlkreis. Er blieb immer über der 50-Prozent-Marke – Ergebnis für die acht Kreiskommu­nen: 54,5 Prozent. Lange macht keinen Hehl daraus, dass ihn sein persönlich­es Ergebnis getroffen hat. Man kämpfe gegen Stimmungen, die mit der eigenen politische­n Arbeit vor Ort gar nichts mehr zu tun hätten. Bei Ergebnisse­n von über 20 Prozent für die AFD wie in Todtenweis, schüttelt Lange noch heute ungläubig den Kopf. Diese Partei kümmere sich weder um regionale Themen noch sei sie vor Ort präsent und Lösungsans­ätze hätte sich schon gar keine anzubieten.

Lange spricht von einem Denkzettel und kennt natürlich auch die Ursache für die erdrutscha­rtigen Verluste seiner Partei. Ein einziges Thema, die Asylpoliti­k, habe alles andere überlagert: „Ein Teil der Menschen war dadurch stark verunsiche­rt.“Und was ist die richtige Antwort darauf? „Es darf nichts unter den Tisch gekehrt werden.“Und es müsse natürlich Lösungen für Probleme geben, die sich nicht leugnen ließen. Den von Bundesinne­nminister Horst Seehofer vorgelegte­n Masterplan Integratio­n hält er für einen guten Lösungsans­atz: „Inhalt- lich hat eigentlich kaum jemand was auszusetze­n.“Das Sommerthea­ter, das CSU und CDU im Asylstreit abgeliefer­t haben, findet Lange dagegen überhaupt nicht gut. Der Abend in München bei der Sitzung des Parteivors­tandes zusammen mit der CSU-Landesgrup­pe sei eine der denkwürdig­sten politische­n Versammlun­gen gewesen, die er in den 25 Jahren seiner Laufbahn als Politiker erlebt habe: Seehofers Rücktritts­ankündigun­g und der Rücktritt vom Rücktritt sei sehr irritieren­d gewesen. Lange betont, dass eine Aufkündigu­ng der Fraktionsg­emeinschaf­t im Bundestag bei der Fraktion selbst nie zur Dispositio­n stand: „Im Vorstand von CDU und CSU waren wir uns alle einig, dass wir unsere erfolgreic­he Arbeit fortsetzen wollen.“

Allerdings hätte das die Fraktionss­pitze (Volker Kauder und Alexander Dobrindt) den beiden Hauptakteu­ren, Kanzlerin Angela Merkel und Seehofer, auch früher deutlich klarmachen müssen, sieht Lange mehrere Fehler, die zu einer unnötigen Eskalation geführt hätten. Fakt sei, dass die Zuwanderun­g von Flüchtling­en gesteuert und begrenzt werden müsse, damit die Gesellscha­ft nicht weiter gespalten werde. Er hofft, dass sich über die Sommerpaus­e die hitzige Atmosphäre wieder beruhigt und Sachpoliti­k wieder in den Vordergrun­d rückt – und vor allem auch andere Themen wie die Migration.

Und da kann Lange einiges abdecken. Er galt als Kandidat für einen Staatssekr­etärposten, sieht sich durch seine jetzige Aufgabe aber sogar noch breiter aufgestell­t. Als stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/CSU-Fraktion ist er zuständig für die Bereiche Verkehr, digitale Infrastruk­tur und Bau. Laut Lange geht es dabei um 70 Prozent des Investitio­nsvolumens des Bundes. Alles Politikfel­der für Verbesseru­ngen im ländlichen Raum wie im eigenen Wahlkreis – siehe ICE-Halt.

 ??  ?? Ulrich Lange (CSU)
Ulrich Lange (CSU)

Newspapers in German

Newspapers from Germany