Fusion von Linde und Praxair wackelt
Anlegerschützer fordern die Unternehmen auf, das Vorhaben aufzugeben
München Wegen neuer Hürden der Kartellbehörden für die geplante Fusion von Linde und Praxair fordern Anlegerschützer den Abbruch. „Es hätte Größe, den Deal abzublasen und einzugestehen, dass man es auch im zweiten Anlauf nicht geschafft hat“, sagte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin des Anlegerschutzvereins DSW.
Der Industriegasekonzern Linde und der US-Konkurrent Praxair wollen einen neuen Weltmarktführer schaffen. Um die Bedenken von Kartellbehörden vor einer zu dominanten Position auszuräumen, müssen sie Geschäfte verkaufen. Die beiden Konzerne haben vereinbart, dass dabei die Grenze von 3,7 Milliarden Euro Umsatz oder 1,1 Milliarden Euro Betriebsgewinn nicht überschritten werden darf.
Doch das Projekt wackelt: Zwar hatte die EU-Kommission dem Deal am Montag zugestimmt – allerdings unter Auflagen. Sie hatte gefürchtet, dass Verbraucher unter einem neuen Marktführer leiden und die Preise steigen. Praxair muss nun sein gesamtes Europa-Geschäft verkaufen, Linde den Großteil seiner US-Geschäfte veräußern. Als entscheidende Hürde gilt die Zustimmung der US-Kartellbehörde FTC. Grünes Licht fehlt zudem aus Brasilien, Argentinien, Südkorea, Indien und China. Am Mittwochmorgen teilte Linde nun mit, dass die Aufseher mehr Zugeständnisse fordern. „Auf Basis weiterer Rückmeldungen von Wettbewerbsbehörden ist davon auszugehen, dass die umsatzbezogene Obergrenze für Veräußerungszusagen überschritten wird“, hieß es. Die Unternehmen verhandelten weiter und diskutierten mit Wettbewerbsbehörden über die Erfüllung der Auflagen. Die Zeit drängt: Laut Wertpapiergesetz muss die Fusion spätestens am 24. Oktober unter Dach und Fach sein. An der Börse wird bereits über wesentlich höhere Verkäufe von Geschäftsteilen spekuliert. Am Ende könnten es 4,5 Milliarden Euro sein, sagte ein Marktexperte.
Mit den neuen Hürden verschlechterten sich die Voraussetzungen für den Zusammenschluss, kritisierte Bergdolt. Mit dem Überschreiten der vereinbarten Obergrenze würden Linde und Praxair „die eigene Schmerzgrenze niederreißen“, kritisierte sie. „Es drängt sich der Eindruck auf, als gehe es Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle nur darum, den Deal um jeden Preis durchzusetzen.“
Linde und Praxair hatten schon 2016 eine Fusion versucht. Damals scheiterte der Deal am Streit um den Konzernsitz. Reitzle will nun einen Weltmarktführer mit 28 Milliarden Euro Jahresumsatz schaffen. Die neue Linde plc soll in Dublin sitzen und von Praxair-Chef Steve Angel geführt werden. Die Amerikaner sind Marktführer in den USA, Linde ist stark in Europa und Asien, im US-Medizingeschäft und im Anlagenbau.