Jeder vierte Knast Neuling ist drogenabhängig
Justiz Die Nachfrage nach den verbotenen Substanzen ist in Bayerns Gefängnissen groß. Wie kommen sie dort eigentlich hin?
München/Nürnberg Rund ein Viertel der Strafgefangenen in Bayern ist bei Haftantritt süchtig nach Drogen gewesen. Das geht aus Zahlen des Justizministeriums hervor. Demnach seien von 11382 Insassen 2919 abhängig gewesen.
Heroin oder Ersatzstoffe seien die meistverbreiteten Suchtmittel hinter Gittern, sagt Bertram Wehner von der Drogenhilfe Mudra in Nürnberg. „Drogen im Knast wird man nie verhindern können“, sagt er. „Wenn ein Gefangener Drogen will, dann kommt er dran.“Wo es eine Nachfrage gebe, entstehe ein Markt. „Das ist genau wie draußen. Die Drogen, die dort im Umlauf sind, haben wir in kleineren Mengen auch im Gefängnis“, sagt der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD), René Müller. Und wie draußen mache derzeit Crystal Meth Probleme. „Die Reaktionen auf den Stoff sind verheerend. Die Mitarbeiter müssen mit besonders aggressiven Gefangenen umgehen.“
Trotz Kontrollen von Besuchern an den Zugängen finden die illegalen Substanzen den Weg hinter Gitter. Sie werden am oder im Körper reingeschmuggelt. Manche kommen über die Mauern, „sie werden von außen drübergeworfen“, erzählt der BSBD-Chef. Sogar mit Drohnen wurde schon versucht, Drogen einzufliegen. Alkohol brauten Häftlinge in den Zellen oft selbst. Mit Zellendurchsuchungen und Urinproben von Gefangenen lässt sich das Problem eindämmen, aber nicht bannen. „Wollen wir den komplett drogenfreien Knast?“, fragt Wehner. „Dann müssten wir ausschließlich Hochsicherheitstrakte bauen. Und selbst dann wird es wohl nie ganz gelingen.“
Das Justizministerium setzt bei der Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs in Gefängnissen nicht ausschließlich auf Abwehr und Strafverfolgung. „Betroffene Gefangene sollen auf Dauer von ihrer Suchtmittelabhängigkeit befreit und in ihrer Einstellung nachhaltig stabilisiert werden“, heißt es. Externe Suchtberater besuchen die Betroffenen im Gefängnis, führen Gesprächsgruppen und vermitteln geeignete Therapieplätze nach der Haft. Der Freistaat finanziert derzeit rund 57 Beraterstellen.
Heroinabhängigen droht übrigens oft kalter Entzug. Denn nicht jeder wird mit Ersatzstoffen unterstützt. „Das ist eine Quälerei – für den Menschen selbst und auch für die Angestellten“, kritisiert Müller vom BSBD. In der Justizvollzugsanstalt Nürnberg würden etwas mehr als zehn Menschen mit Ersatzstoffen unterstützt, bei rund 1100 Haftplätzen, erklärt Bertram Wehner. „Das ist sicher stark unterrepräsentiert.“Dennoch bewegten sich die Haftanstalten in die richtige Richtung, findet er. „Vor zehn Jahren war Substitution noch ein absolutes No-Go. Da hat sich viel getan.“