Vettel will wieder nach ganz oben
Nach der Sommerpause startet die zweite Saisonhälfte. Der Deutsche hat zwar Rückstand auf Hamilton, doch die Vorzeichen stehen anders als vor einem Jahr
Spa Vergangenes Jahr kam Lewis Hamilton mit einem Rückstand aus der Sommerpause, trumpfte dann aber ganz groß auf und holte sich sogar schon vorzeitig in Mexiko den Titel. Dieses Jahr hat Sebastian Vettel einen Rückstand von 24 Punkten aufzuholen – und er ist sehr zuversichtlich, das zu schaffen. Denn die Vorzeichen sind teilweise anders als im Vorjahr. Vettel sieht noch viel Entwicklungspotenzial im Ferrari: Es gebe noch viele Bereiche, wo man wisse, dass man noch zulegen könne – das sei letztes Jahr nicht unbedingt so gewesen, meint der Heppenheimer. „Und außerdem haben wir uns letztes Jahr dann natürlich auch einige entscheidende Fehler geleistet, wenn das diesmal nicht passiert, sollten wir wesentlich besser dastehen.“
Die Tatsache, dass die Roten im Moment sogar einen Motorenvorteil zu haben scheinen, könnte bei den vielen „Motorenstrecken“im Restprogramm einiges ändern. Spa und Monza vor allem sind ja Strecken, auf denen es extrem auf Motorleistung ankommt, aber auch in Sotschi, Suzuka und Austin ist die Power ausgesprochen wichtig. Dazu kommt mit Singapur noch ein Kurs, der Mercedes in der Vergangenheit nie lag, ähnlich wie Monaco oder unter normalen Bedingungen auch Ungarn – wenn nicht gerade ein Regenguss im Qualifying alles auf den Kopf stellt.
Beide Teams, Ferrari und Mercedes, werden hier in Spa wohl ihre dritte und letzte neue Motorenspezifikation einsetzen. Ferrari testete die neue Entwicklungsstufe bereits vor der Sommerpause in Ungarn bei den Kundenteams Haas und Sauber, nachdem dort alles zufriedenstellend funktionierte, ist jetzt auch das Werksteam dran. Bei Mercedes macht man zwar offiziell noch ein Geheimnis draus, ob die neue Spezifikation hier oder erst in einer Woche in Monza zum Einsatz kommen soll – aber intern scheinen die Weichen für Spa gestellt.
Dass Mercedes damit das Leistungsdefizit gegenüber Ferrari, das sich in den letzten Rennen zeigte, komplett ausgleichen oder vielleicht sogar wieder vorbeiziehen könnte, wünscht man sich bei den Silbernen zwar, aber sehr optimistisch klang Mercedes-Sportchef Toto Wolff zuletzt in dieser Beziehung nicht. Zu groß schien ihm offenbar der Abstand und war auch die Verwunde- rung, wie dem großen Konkurrenten auf einmal dieser Sprung gelungen sein könnte. Freilich könnte auch ein bisschen Zweckpessimismus dahinterstecken und auch Mercedes noch einmal einen deutlichen Schritt nach vorne machen – erste Antworten wird wohl schon dieses Wochenende geben.
Eines ist freilich klar: Regnen sollte es in dieser Saison möglichst kaum noch, will Vettel seine Titelchancen behalten. Denn Regen spielt Hamilton und Mercedes in die Karten, wie zuletzt in Hockenheim und Ungarn gesehen. Im Nassen ist der Mercedes offenbar einfacher zu fahren, wie zum Beispiel der Schweizer TV-Experte Marc Surer feststellte. Und er bringt die Reifen besser und schneller ins richtige Temperaturfenster – in der heutigen Formel 1 ein ganz wichtiger Faktor.
Ein wichtiger Faktor ist aber auch die psychische Stärke eines Fahrers in einem extrem engen und harten Titelkampf. Frühere Chefs von Sebastian Vettel sehen in dem 31-Jährigen inzwischen auch einen sehr reifen und mental starken Piloten, der alles habe, um seinen fünften Titel zu gewinnen.
Red-Bull-Teamchef Christian Horner meint: „Ein paar charakterbildende Jahre bei Ferrari haben ihn zu einem kompletteren Fahrer gemacht. Er ist sehr gut unter Druck. Im Team ist er der Fels in der Brandung. Wenn er nach der Sommerpause seine Chance wittert, dann wird es sehr schwer, ihn zu schlagen.“