Das Debakel im Jugendamt wird zur Hängepartie
Das Bundesministerium hat noch nicht entschieden, ob es der Stadt finanziell entgegenkommt. Für den zu spät eingereichten Förderantrag ist eine Rückzahlung in Millionenhöhe fällig. Stellenausschreibung läuft
Es geht um einen Betrag, der zwischen 80 000 Euro und 1,8 Millionen Euro liegt. Es ist die Summe, die die Stadt eventuell an das Sozialministerium in Berlin zurückzahlen muss. Anlass dafür ist ein verspätet eingereichter Förderantrag für Kindertagesstätten. Der Fehler im städtischen Jugendamt, der im schlimmsten Fall zu einer Rückzahlung von 28,5 Millionen Euro hätte führen können, ist aus finanzieller Sicht nach wie vor nicht abgeschlossen.
Auf Anfrage sagte Stadtsprecher Richard Goerlich: „Die Stadt befindet sich aktuell in Gesprächen mit den zuständigen Ministerien, um die Höhe der fälligen Rückzahlung durch die Stadt Augsburg abschließend festzulegen.“Eine zeitliche Vorgabe gebe es nicht. „Es liegt aber selbstverständlich im Interesse aller Beteiligter, das Thema zu einem Abschluss zu bringen“, sagt Goerlich, der als persönlicher Referent von Oberbürgermeister Kurt Gribl in den Entscheidungsprozess mit eingebunden ist.
Seit Juli weiß die Stadt zumindest, dass der Freistaat einen großen Teil der Fördergelder übernehmen wird. Landtag hatte gebilligt, dass 25,63 Millionen vom Freistaat finanziert werden. Für die in diesem Fall verbliebenen 1,07 Millionen Euro, die nicht übernommen werden, muss die Stadt aufkommen.
Der Betrag des Freistaats ergibt sich aus einer neuen bayerischen Förderung. In Verhandlungen auf höchster Ebene wurde mit dem Freistaat diese Lösung erreicht, die jedoch nicht als „Lex Augustana“verstanden werden soll. Auch in anderen Kommunen gab es in der Vergangenheit das Problem, dass Fristen bei der Förderung von Kindertagesstätten versäumt wurden. Der Landtag hat nun generell andere rechtliche Voraussetzungen für die Finanzierung geschaffen. Offen bleibt, wie sich das Bundessozialministerium verhält. Aus gut informierten Kreisen heißt es, es gebe noch engen Abstimmungsbedarf mit dem Ministerium in München. Der Einfluss der Stadt ist offenbar eingeschränkt. Zumindest gibt es Schreiben aus dem Rathaus, sagt ein Beteiligter im Verfahren, die für eine Lösung im Sinne der Stadt werben.
Das Finanzdesaster im städtischen Jugendamt hatte im Frühjahr für Schlagzeilen gesorgt. Ein Sachbearbeiter im städtischen Jugendamt hatte den Antrag, bei dem es um 28,5 Millionen Euro ging, zu spät eingereicht. Die Regierung von Schwaben als Genehmigungsbehörde akzeptierte die Verzögerung zunächst, erst Monate später war die Fristüberschreitung an anderer Stelle bemerkt worden. Es geht um staatliche Zuschüsse für nicht-städtische Kitas. Die Träger können das Geld auf alle Fälle behalten. Im schlimmsten Fall hätte die Stadt alles zurückzahlen müssen.
Das Versäumnis im Amt führte zu Konsequenzen. Die frühere Amtsleiterin Sabine Nölke-SchaufDer ler ist nun im OB-Referat tätig. Unwidersprochen blieben Informationen unserer Zeitung, wonach der Wechsel in ein anderes Aufgabenfeld ihr keine finanziellen Einbußen brachte. Die Anwälte der früheren Amtsleiterin trugen dem Vernehmen nach gute Argumente vor, warum die Stadt sich schwertun würde, eine Zurückstufung arbeitsgerichtlich durchzusetzen. Grund: Ein erkennbar nachweisbares Fehlverhalten sei ihr nicht vorzuhalten.
Der Mitarbeiter, der die Frist versäumte, ist ebenfalls nicht mehr in seinem früheren Zuständigkeitsbereich tätig. Ob sein Agieren mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen sanktioniert wurde, ist offen. Goerlich sagt dazu nichts: „Zu Gehaltseinstufungen von Mitarbeitern sowie dienst- oder disziplinarrechtlichen Fragen äußert sich die Stadt aus Gründen des Mitarbeiterschutzes weiterhin nicht.“
Das Jugendamt wird gegenwärtig kommissarisch geführt. Seit einigen Tagen ist die Stelle des Amtsleiters ausgeschrieben. Bewerbungen können bis 3. Oktober eingereicht werden. Zum Amt gehören 230 Mitarbeiter. Wie aus der Ausschreibung weiter hervorgeht, trägt der Leiter die Verantwortung für ein Haushaltsvolumen von rund 100 Millionen Euro.
Auf der politischen Seite hatte der Vorgang keine unmittelbaren Folgen. Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD), in dessen Zuständigkeitsbereich das Jugendamt liegt, war unter Beschuss geraten, als das Versagen offenkundig wurde. Er betonte frühzeitig, dass für die verwaltungsinternen Abläufe nicht der Referent direkt zuständig sei. Als die Lösung mit dem Freistaat erzielt wurde, machte Kiefer einen ungewöhnlichen Schritt. Er sagte im Juli: „Für den Schaden, der der Stadt durch einen Fehler in meinem Zuständigkeitsbereich entstanden ist, entschuldige ich mich bei den Bürgern.“Man habe als Konsequenz Arbeitsabläufe umgestellt.
Wie hoch der Schaden für die Stadt ausfällt, steht fest, wenn das Ministerium in Berlin seine Antwort gegeben hat. Im besten Fall müsste die Stadt Augsburg somit noch 80000 Euro an den Bund zurückzahlen. Bleibt der Bund stur, sind es 1,8 Millionen Euro. Daher liegt die Bandbreite der gesamten Rückzahlung nun exakt zwischen 1,15 und 2,87 Millionen Euro.