Wie Schulen mit dem Thema Migration umgehen
Fast jeder zweite Grund- und Mittelschüler hat seine Wurzeln im Ausland. Das stellt die Lehrer vor große Herausforderungen, die sie mit speziellen Klassen und Förderangeboten meistern wollen
Fast die Hälfte aller in Augsburg lebenden Menschen – exakt 46 Prozent – hat einen Migrationshintergrund. Überproportional bemerkbar macht sich das in den Schulen, die sich ab Dienstag wieder füllen. In den Klassenzimmern der Grundschulen haben 55 von 100 Mädchen und Jungen ihre Wurzeln im Ausland, in den Mittelschulen sind es sogar 70 Prozent.
Das können Kinder sein, deren Familien bereits die dritte Generation in Deutschland leben. Es sind aber auch Kinder darunter, die erst vor kurzem mit Eltern und Geschwistern aus Syrien oder Afghanistan geflüchtet sind. Für die Stadt stellt die kulturelle Vielfalt eine Herausforderung dar. Die Schulen seien dafür aber mit unterschiedlichen Angeboten und Maßnahmen gewappnet, berichteten Bildungsreferent Hermann Köhler und Schulamtsleiter Markus Wörle zum Auftakt des neuen Schuljahrs.
● Dazu zählen kleine Klassen. Sobald der Migrationsanteil einer Klasse über 50 Prozent liegt, darf die Klassenstärke die 25er-Marke nicht übersteigen. So kommen 65 zusätzliche Klassen zustande, 36 an den Grundschulen und 29 an den Mittelschulen. In beiden Schularten liegt die durchschnittliche Klassenstärke bei unter 20 Kindern beziehungsweise Jugendlichen.
● Deutschklassen ersetzen im neuen Schuljahr die Übergangsklassen und richten sich an Schüler, die erst seit kurzem hier leben und über geringe oder keine Deutschkenntnisse verfügen. Sie sollen in ein bis zwei Jahren für die Regelklassen fit gemacht werden. Zur besseren Integration sollen auch zusätzliche Unterrichtsstunden im Fach „Werteerziehung und kulturelle Bildung“beitragen.
Aktuell werden 42 Deutschklassen an 13 Grund- und Mittelschulen eingerichtet. Laut Wörle besuchen diese mehrheitlich Kinder und Jugendliche aus EU-Ländern. Nur etwa ein Fünftel sind Flüchtlinge. Überhaupt habe die Zahl der Flüchtlingskinder in den Grundund Mittelschulen leicht abgenommen. „In der ersten Jahrgangsstufe wir insgesamt 20 Flüchtlingskinder in den Deutschklassen, in allen höheren Jahrgangsstufen aber keine neuen Schüler mit entsprechendem Hintergrund“, sagt der Schulamtsleiter. Er rechne hier im Lauf des Jahres mit Veränderungen. ● Zusätzliche Förderangebote Auch wenn Kinder aus Migrantenfamilien hier geboren sind, herrscht zu Hause oft die Muttersprache vor. Die Kinder werden bereits im Kindergarten auf die Schule vorbereitet – in insgesamt 126 Vorkursen, die von Lehrern gehalten werden. In den Grund- und Mittelschulen sind außerdem zusätzliche Lehrkräfte im Einsatz, die Sprachförderung in den Regelklassen anbieten. Eingesetzt wird hier Personal im Umfang von etwa 35 Vollzeitstellen.
● Sprachsensibler Unterricht Kinder mit Migrationsgeschichte beherrschen oft die Alltagssprache gut. Sie scheitern aber, weil sie mit der Fach- und Bildungssprache überhaben fordert sind. Aus dieser Erkenntnis heraus haben Stadt und Bildungsreferat vor drei Jahren ein Fortbildungsprojekt für Lehrer ins Leben gerufen. Eines der Hauptthemen ist der sogenannte sprachsensible Unterricht, der den Schülern auf anschauliche Weise und mit Hilfsmitteln die Bildungssprache näherbringen soll. Davon profitieren nach den bisherigen Erfahrungen auch Schüler ohne Migrationshintergrund. Neben sechs Mittelschulen in Augsburg sind die Reischlesche Wirtschaftsschule sowie das Jakob-Fuggerund das Maria-Theresia-Gymnasium mit im Boot.
● Projekt MITsprache Im neuen Schuljahr beginnt darüber hinaus an vier Grundschulen das Bildungskonzept „MITsprache“. Es will Kindern möglichst gute Startchancen durch den frühzeitigen Erwerb der deutschen Sprache ermöglichen. In das Projekt fließen rund 18000 Euro an Stiftungsgeldern.
● M Klassen Neben dem Qualifizierenden Abschluss bietet die Mittelschule begabten Schülern die Möglichkeit, die Mittlere Reife zu absolvieren. 800 Schüler in 40 Klassen nehmen diese Chance wahr. Viele von ihnen stammen aus Migrantenfamilien. Seit dem vergangenen Jahr gibt es ein Angebot für leistungsorientierte Jugendliche, die erst seit kurzem in Deutschland leben, aber in dieser Zeit derartige Fortschritte gemacht haben, dass ihnen der Erwerb der Mittleren Reife zuzutrauen ist. Sie sollen in zwei Jahren zum Abschluss geführt werden. Auch im aktuellen Schuljahr kommt aufgrund des großen Interesses eine neue Eingangsklasse zustande – an der Kapellen-Schule im Stadtteil Oberhausen.