Balkanstaaten – die unbekannten Nachbarn
Die Ausstellung „Utopie und Dystopie“des Künstlers Miha Strukeljs ist heute ein letztes Mal im tim zu sehen. Zeit für ein Gespräch über die Kulturbeziehungen zu Südosteuropa
Bevorˇ der slowenische Künstler Miha Strukeljs nach Augsburg kam, ist er viel rumgekommen. Er arbeitete unter anderem in Straßburg, Los Angeles und Wien. Er ist ein großer Befürworter des kulturellen Austausches. Er ist der Meinung, dass es für Künstler unabdingbar und zugleich ein Privileg sei, zu reisen und von anderen Kulturen und Kunstrichtungen zu lernen. Zuletzt folgte er Anfang Juli der Einladung des Vereins Hoher Weg und des Textil- und Industriemuseums (tim). Seine Ausstellung zum Thema „Utopie und Dystopie“ist am heutigen Mittwoch ein letztes Mal im Foyer des tim zu sehen.
Dreieinhalb Wochen hat Miha Strukelj für seinen Mix aus Arbeiten, darunter Zeichnungen, grafisch bearbeitete Bilder und plastische Arbeiten, benötigt. Sein Werk zeigt Bedingungen des städtischen Lebens und vermittelt, wie eine Utopie in eine Dystopie kippen kann.
Karl Borromäus Murr, Kurator und Direktor des tim, nahm den Abschluss des Projekts zum Anlass, um über die Kulturbeziehung Augsburgs mit dem Balkan zu diskutieren. Dafür lud er unter anderem Andreja Richter, Direktorin des Forums der Slawischen Kulturen in Ljubljana, und Christiane LembertDobler, Leiterin des Augsburger Friedensbüros, ein. Murr sagte: „Wir informieren uns immerzu über die USA. Stattdessen sollten wir genauer auf unsere Nachbarn auf dem Balkan schauen.“
Andreja Richter gab zu bedenken, dass nach sämtlichen Konflikten und Kriegen in der jüngsten Geschichte der Region die BalkanLänder einander auch nicht mehr kennen (wollen). Außerdem, so die Forumsdirektorin, gäbe es insgesamt 14 slawische Sprachen. „Um in Kontakt zu treten, braucht es eine gemeinsame Sprache.“Mithilfe diverser Projekte sei man gerade dabei, Künstler und Autoren vom Balkan zu vernetzen. Richter erklärte, dies sei eine Herausforderung, weil Südosteuropa ein Schmelztiegel der Kulturen und Religionen ist.
Christiane Lembert-Dobler sah Parallelen zur Fuggerstadt: „Heute ist Augsburg multi-kulturell und multi-ethnisch. Auch wir müssen lernen, mit dieser Diversität zu leben.“Ursprünglich hätte das Motto des diesjährigen Friedensfestes „Liebe“werden sollen. Stattdessen, sagte die Leiterin des Friedensbüros, habe man sich für „Utopie des Friedens“entschieden. „Angesichts der Konfliktherde auf der ganzen Welt, wollte man optimistisch bleiben und einer positiven Zukunft entgegenschauen.“Im Übrigen könne jeder einen Beitrag leisten, erklärte Lembert-Dobler. Entweder durch soziales Engagement oder künstlerische Beiträge.
Die Verbindung Sloweniens zu Deutschland sei in der Geschichte beider Länder verankert, erklärte Richter, selbst gebürtige Slowenin. Die Kinder lernen deutsch, wissen, wer die Familie Fugger ist und auch der Augsburger Dom ist den Slowenen bekannt. Richter feixte: „Ich hatte nie das Gefühl, dass unser Land zum Balkan gehört. Slowenen sind wie Deutsche, nämlich arbeitstüchtig“. Miha Sˇ trukeljs ergänzte: „Ich habe gehört, dass Deutsche diszipliniert und ordnungsliebend sind. Ich war aber schockiert, als ich gesehen habe, wie sehr das zutrifft.“