Was dürfen Inkasso Firmen?
In ihren Schreiben drohen unseriöse Unternehmen oft mit verschiedenen Schritten. Doch vieles ist ihnen gar nicht erlaubt
HANS PETER SEITEL
Offene Rechnungen über mehr als fünf Milliarden Euro treiben deutsche Inkasso-Dienste jährlich ein, in der Regel nach Recht und Gesetz. Aber Vorsicht: Manche unseriöse Firmen setzen Forderungen mit unzulässigen Druckmitteln durch – bis hin zum angedrohten Hausbesuch von „großen, wuchtigen Männern“. Was Betroffene wissen sollten.
Eine kürzlich erschienene Studie im Auftrag der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass „das Bedrohungspotenzial, welches durch die Inkasso-Branche gegenüber Schuldnern aufgebaut wird, immens ist“. Dass sich Betroffene dadurch oft einschüchtern lassen, wissen Verbraucherschützer aus ihren Beratungen. „Wir kennen unzulässige Drohungen nicht nur in Fällen des sogenannten Fake-Inkassos, bei dem Firmen unberechtigte Forderungen stellen. Auch bei im Grundsatz berechtigten Forderungen kommt das mitunter vor“, sagt Kerstin Föller von der Schuldnerberatung der Verbraucherzentrale Hamburg.
Ihr Tipp: Statt aus lauter Furcht zu bezahlen, sollten Verbraucher die Ruhe bewahren und das Mahnschreiben genau prüfen. „Bange machen gilt nicht. Es kommen keine großen, wuchtig aussehenden Männer zu Besuch, selbst wenn sich der vermeintliche Besuchsdienst ankündigt“, heißt es dazu bei der Verbraucherzentrale Bayern. Allerdings wenden schwarze Schafe der Branche noch subtilere Druckmittel an:
Schufa Eintrag Schnell verunsichern lassen sich Verbraucher von einem angedrohten Negativ-Eintrag bei der Auskunftei Schufa. „Viele unseriöse Inkasso-Institute sind aber nicht als Schufa-Mitglied registriert und können daher vermeintliche Schulden gar nicht melden“, betont Verbraucherschützerin Föller. Widerspricht der Verbraucher einer Forderung, dürfe ein InkassoDienst ohnehin keine Daten an die Schufa übermitteln.
Pfändung Die Drohung mit einer Kontopfändung schlägt bei den meisten Betroffenen wie eine Bombe ein. „Viele sagen sich, dann gibt es eben nur noch Wasser und Brot, und sie bezahlen die Forderung trotz finanzieller Not“, so die Verbraucherschützerin. Wer Schulden hat, müsse nicht einmal fünf Euro abstottern, solange sein monatliches Einkommen unterhalb des Pfändungsfreibetrags von aktuell 1 133,80 Euro liegt. Bei Unterhaltspflichten gelte ein noch höherer Freibetrag – und auch Dinge des täglichen Bedarfs wie Tisch, Bett und ein normaler Fernseher dürften nicht gepfändet werden.
● Gericht und Gerichtsvollzieher Dem Druckmittel, ein Gericht einzuschalten und den Gerichtsvollzieher zu schicken, geben Verbraucher oft ebenfalls übereilt nach. Für jede Form der Vollstreckung müsse sich der Inkasso-Dienst zunächst einen sogenannten Titel besorgen, also einen gerichtlichen Vollstreckungsbescheid oder ein Urteil, betonen die Verbraucherschützer Föller. Ist eine Forderung unberechtigt, könne dem im Laufe des Mahnverfahrens oder einer Klage mehrfach widersprochen werden. „Unseriöse Institute ziehen daher in der Regel nicht vor Gericht“, sagt die Expertin.
Aber Achtung: Liegt bereits ein gerichtlicher Mahnbescheid vor, sollte der Verbraucher schnell sein. Berechtigte Forderungen sind zu bezahlen, unberechtigten ist spätestens dann zu widersprechen, und zwar schriftlich innerhalb von zwei Wochen. Nach Einschätzung des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) liegt hier die Ursache für manches Problem. „Es kommt zum Beispiel relativ oft vor, dass Schuldner auch auf mehrere Mahnungen nicht reagieren. Das kann für den Einzelnen gravierende rechtliche Folgen haben“, sagt BDIU-Sprecher Marco Weber.
● „Wir beantragen Haftbefehl“Auch damit drohen unseriöse Anbieter. Ob das Druckmittel rechtens ist, hängt vom Verfahrensstand ab. Eine Beugehaft kann den Verbraucherschützern zufolge nur dann beantragt werden, wenn der Gläubiger einen Titel (zum Beispiel einen Vollstreckungsbescheid) hat, die Forderung nicht bezahlt wird, eine Vollstreckung vergeblich ist und der Schuldner eine Vermögensauskunft grundlos verweigert. Expertin Föller sagt dazu: „Ohne Weiteres flattert einem ein Haftbefehl also nicht ins Haus.“