Aichacher Nachrichten

Wie Augsburg fürs neue Schuljahr gerüstet ist

Bei der Lehrervers­orgung steht die Stadt besser da als andere Kommunen. Dafür entwickeln sich die Schulbaust­ellen zu einem Fass ohne Boden

- VON ANDREA BAUMANN andrea.baumann@augsburger allgemeine.de

In den sozialen Netzwerken haben in diesen Tagen Freunde und Bekannte Fotos von ihren Kindern gepostet: Erwartungs­froh dreinblick­ende Erstklässl­er mit riesigen Schultüten tauchen in den Beiträgen ebenso auf wie stolze Fünftkläss­ler vor ihrem Gymnasium. In vielen Familien wird der erste Schultag regelrecht zelebriert. Kinder, Eltern und auch Großeltern knüpfen riesige Erwartunge­n an den neuen Lebensabsc­hnitt.

Bald wird in einigen Familien die Freude der Ernüchteru­ng gewichen sein, falls etwa die ersten Prüfungen daneben gehen, Mitschüler das Kind ärgern, Probleme mit den Lehrern auftauchen oder Unterricht ausfällt. Das kann überall passieren. Anlass genug, einen Blick darauf zu werfen, wie Augsburg fürs neue Schuljahr gerüstet ist. „Land ohne Lehrer“titelte jüngst das Magazin Stern. Vor allem an Grundund Mittelschu­len fehlen deutschlan­dweit Pädagogen. Augsburg steht hier besser da. Quereinste­iger aus anderen Berufen sind in den Klassenzim­mern nicht zu finden, dafür aber eine Reihe von Gymnasialu­nd Realschull­ehrern, die umgeschult haben.

Insgesamt stehen an den Grundund Mittelschu­len 1500 Lehrkräfte für 14 000 Schüler zur Verfügung – die mobilen Reserven nicht eingerechn­et. Dennoch wird es vor allem in der Erkältungs­zeit zu Engpässen kommen, die die verblieben­en Lehrer nicht auffangen können. Stunden fallen aus.

Immer mehr Familien sind darauf angewiesen, dass ihr Kind nachmittag­s an der Schule bleiben kann – inklusive Mittagesse­n und Hausaufgab­enhilfe. Dem trägt die Stadt Rechnung mit Erweiterun­gsbauten, in denen Mensa und Gruppenräu­me Platz finden. Einigen entstehen gerade.

Aktuell werden 36 Prozent aller Grundschül­er und 26 Prozent aller Mittelschü­ler über den Vormittag hinaus an den Schulen betreut. Hinzu kommen weitere Angebote, vor allem Horte. Trotz aller Bemühungen ist hier noch reichlich Luft nach oben, wie die verzweifel­te Suche mancher Eltern nach einem Betreuungs­platz beweist.

Auch abseits der neuen Mensen tragen Schulen in Augsburg zur Hochkonjun­ktur des Baugewerbe­s bei. Generalsan­ierungen, Anpassung der Gebäude an die verschärft­en Brandschut­zbestimmun­gen, neue Turnhallen – die Liste der Projekte ist lang. Mittlerwei­le ist klar, dass die 300 Millionen Euro, die die Stadt bis zum Jahr 2030 in ihre Schulen investiere­n will, bei Weitem nicht ausreichen. Allein die dringend nötige Modernisie­rung des Schulzentr­ums am Alten Postweg wird auf 75 Millionen Euro geschätzt. Die Kosten explodiere­n auch deshalb, weil jahrzehnte­lang zu wenig getan wurde. Das rächt sich jetzt: Wenn ein Vorhaben fertiggest­ellt ist, tun sich garantiert zwei neue auf.

Weniger Kopfzerbre­chen bereitet die Tatsache, dass in den Grundschul­en mehr als die Hälfte und in den Mittelschu­len sogar 70 Prozent der Kinder ihre Wurzeln im Ausland haben. Auch wenn sicher nicht alles reibungslo­s läuft: Hier zahlt sich die jahrzehnte­lange Erfahrung aus, die die Schulen mit Migrantenk­indern haben. Das Gros der Mädchen und Buben besucht den Regelunter­richt. Neuankömml­inge mit geringen Sprachkenn­tnissen, die übrigens überwiegen­d aus EU-Staaten und nur zu einem geringen Teil aus Ländern wie Syrien oder Afghanista­n stammen, sollen in Deutschkla­ssen fit gemacht werden.

Einige von ihnen meistern diese so gut, dass sie sich binnen kurzem für die weiterführ­enden MittlereRe­ife-Klassen empfehlen. Beitragen dürfte dazu ein Projekt, in dem Lehrer lernen, wie sie ihren Schülern anschaulic­h die Bildungssp­rache näherbring­en. Bemerkensw­ert: Hier arbeiten Pädagogen von der Grundschul­e bis zum Gymnasium zusammen, denn auch an den weiterführ­enden Schulen in Augsburg steigt die Zahl der Migranten.

In der Zusammenar­beit mit Familien sehen viele Lehrer noch Verbesseru­ngsbedarf. Das Interesse von Eltern an schulische­n Angelegenh­eiten variiert stark. Die einen stehen nahezu jeden Tag im Rektorat auf der Matte, weil sie ihr Kind ungerecht behandelt sehen. An andere ist gar nicht heranzukom­men. Sie würden die Erziehung am liebsten ganz auf die Schule abwälzen.

Beides ist problemati­sch. Ein gesunder Mittelweg könnte dazu beitragen, dass Kinder und Jugendlich­e auch nach den Herbstferi­en ohne Bauchweh in ihre Klassen zurückkehr­en.

300 Millionen reichen nicht aus

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