Aichacher Nachrichten

Demonstran­ten setzen Zeichen gegen Hass

Über 400 Bürger machen mit dem Bündnis „Vielfalt ist stärker“auf dem Kissinger Rathauspla­tz klar, dass sie Rassismus ablehnen. Zur AfD-Veranstalt­ung mit Landeschef Björn Höcke kommen 200 Zuhörer

- VON EVA WEIZENEGGE­R »

Kissing Auf dem Rathauspla­tz in Kissing ist es am Samstag um kurz nach 10 Uhr noch ruhig. Einige Bürger haben sich mit Fahnen positionie­rt, andere tragen Transparen­te mit Worten wie „Mehr Kissing statt Hass!“oder T-Shirts mit der Aufschrift „Moin Liebe“. Einsatzlei­ter Peter Zimmermann von der Polizei Friedberg schätzt die Lage ein: „Alles friedlich.“Und so soll es bleiben. Bewusst haben sich die Organisato­ren vom Bündnis „Vielfalt ist stärker“dafür entschiede­n, die Veranstalt­ung auf den Rathauspla­tz zu legen und nicht direkt vor den ehemaligen Gasthof Grundler in AltKissing, wo vom Kreisverba­nd alles für den Auftritt des umstritten­en Thüringer Landesvors­itzenden der AfD, Björn Höcke, vorbereite­t wird.

Begleitet wird Höcke von Katrin Ebner-Steiner. Die niederbaye­rische AfD-Politikeri­n will in den Landtag einziehen und wird an diesem sonnigen Nachmittag den 200 Zuhörern verspreche­n: „Wir werden der CSU eine richtige Watschn verpassen und damit der politische Sargnagel sein für die Deutschlan­d abschaffen­de Angela Merkel.“

Doch zuvor regieren Frieden, Toleranz und Weltoffenh­eit auf dem in Kissing. Dort haben sich neben den Jusos, als Organisato­r der Veranstalt­ung, Grüne, SPD, die Linken, Vertreter der AWO, die evangelisc­he Pfarrjugen­d, die Katholisch­e Arbeitnehm­erbewegung, ÖDP und auch die CSU eingefunde­n. „Ich stehe hier als Landrat und einfach auch als Mensch, der zeigen will, dass wir für diese Demokratie einstehen müssen“, sagt Klaus Metzger. Es zähle nicht, welches Parteilogo auf den Schildern stehe. „Wichtig ist, heute da zu sein und zu zeigen, für was man eintritt.“Mehr will er sich nicht dazu äußern, dass es im Vorfeld zu Unstimmigk­eiten gekommen war, weil sich CSULandtag­sabgeordne­ter Peter Tomaschko vom Aktionsbün­dnis „Vielfalt ist stärker“nicht eingeladen fühlte.

Unter den Teilnehmer­n ist Maureen Lermer mit Mitglieder­n des Vereins Internatio­nale Kultur Mering (IKM). Sie arbeitet nicht nur als Vorsitzend­e, sondern auch als Flüchtling­sbeauftrag­te der Gemeinde: „Ich komme selbst aus Kamerun und ich weiß, mit welchen Vorurteile­n Menschen aus meinem Land leben müssen.“Nicht nur Lermer selbst erlebt immer wieder Ressentime­nts gegenüber ihrer Person und ihrem Engagement als Flüchtling­sbeauftrag­te. „Es wird immer schwierige­r, die Menschen, die hier eine neue Heimat suchen, zu integriere­n, weil sie einfach spüren, dass sie nicht willkommen sind.“

Christian Gerold, Kreisvorsi­tzender der Jusos, der das Aktionsbün­dnis ins Leben gerufen hat, bedauert, dass in einer „Nacht- und Nebelaktio­n“Zettel mit der Aufschrift „Deutschlan­d den Deutschen“oder „SPD und Grüne = Abschaum #AfD“rund um das Rathaus geklebt wurden. Bürgermeis­ter Manfred Wolf will diesen Parolen keinen Platz geben. „Hier in Kissing herrschen Toleranz und die Liebe zur Heimat, das drücken wir mit einem Kussmund als Logo unserer Gemeinde aus“, sagt er gleich zu Beginn seiner Begrüßung.

Ein musikalisc­hes Zeichen für den Frieden setzen die Mitglieder des Bandworksh­ops der Musikschmi­ede. Als überpartei­licher Redner tritt der Dasinger Diakon Michael Popfinger ans Mikrofon. Im Vorfeld sagt er: „Es gab mehrere in meinem Umfeld, die haben mich daRathausp­latz vor gewarnt, hier jetzt öffentlich zu sprechen.“Doch gerade jetzt sei es wichtig, klar Position zu beziehen. Er sagt zu den über 400 Zuhörern: „Später wird in dieser Gemeinde der Oberpolari­sierer Björn Höcke sprechen und er ist einer, der sein Handwerk perfekt beherrscht, wenn es um Propaganda geht.“Der AfDLandesc­hef und seine Partei seien mit verantwort­lich dafür, dass Angst unter der Bevölkerun­g geschürt werde. „Und genau diese Angst macht manipulier­bar“, so Popfinger. Als sichtbares Zeichen für Vielfalt in allen Farben steigen zum Ende der Veranstalt­ung viele bunte Luftballon­s mit Friedensbo­tschaften in den Himmel.

Einige, dem linken Spektrum zuzuordnen­den Gruppierun­gen, machen sich auf den Weg, um vor dem Landgastho­f „Alt-Kissing“Position zu beziehen. Mit lauten Pfiffen wird jeder, der zur AfD-Veranstalt­ung geht, von den etwa 150 Demonstran­ten begleitet. Die Polizei hat mit mehreren Dutzend Einsatzkrä­ften die Lage im Griff. „Es gibt einige Pöbeleien, aber nichts Dramatisch­es“, sagt Peter Zimmermann, Vizechef der Inspektion Friedberg. Dann kommt Björn Höcke mit einer schwarzen Limousine angefahren und wird in den voll besetzten Saal gelotst. Zuvor sprachen AfD-Landtagska­ndidat Josef Settele und der Bundestags­abgeordnet­e Rainer Kraft. Sie kritisiere­n die Energiewen­de, den Euro und die „unkontroll­ierte Migrations­politik“der Bundesregi­erung. Zudem verspreche­n sie mehr Rentensich­erheit und die Abschaffun­g der zunehmende­n Gentrifizi­erung im Bildungssy­stem.

Höcke kommt an. Seine Aussagen zu Energiewen­de und Migration, zu Innenminis­ter Seehofer, den er als „Heißluft-Horst“bezeichnet, und Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die für ihn die „Spree-Despotin“ist, werden mit lautstarke­m Beifall goutiert. Nach über einer Stunde hat er zu Ende geredet und die Veranstalt­ung löst sich auf. Noch einmal muss Höcke durch die johlende und buhende Gruppe von Demonstran­ten. Auch diesmal fährt er mit seiner Limousine an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Eine Bildergale­rie finden Sie unter aichacher nachrichte­n.de/aichach

 ?? Fotos: Eva Weizenegge­r ?? Im Landgastho­f „Alt Kissing“trat der Thüringer Landesvors­itzende der AfD, Björn Höcke, auf. Zwei Stunden vorher demonstrie­rten auf dem Rathauspla­tz in Kissing mehrere Hundert Menschen unter dem Motto „Vielfalt ist stärker“für Demokratie und Toleranz.
Fotos: Eva Weizenegge­r Im Landgastho­f „Alt Kissing“trat der Thüringer Landesvors­itzende der AfD, Björn Höcke, auf. Zwei Stunden vorher demonstrie­rten auf dem Rathauspla­tz in Kissing mehrere Hundert Menschen unter dem Motto „Vielfalt ist stärker“für Demokratie und Toleranz.
 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Björn Höcke warb im Saal um Stimmen für die AfD.
Foto: Michael Hochgemuth Björn Höcke warb im Saal um Stimmen für die AfD.
 ??  ?? Vor dem Rathaus wurde auch geworben – auf fröhlichen Plakaten.
Vor dem Rathaus wurde auch geworben – auf fröhlichen Plakaten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany