Müssen geschützte Friedhofsbäume weg?
Die Israelitische Kultusgemeinde will aus religiösen Gründen ein Wäldchen auf dem alten Friedhof an der Hooverstraße entfernen. Viele Stadträte im Umweltausschuss melden Bedenken an
Sie sind über Jahrzehnte hinweg gewachsen. Und sie sind besonders geschützt. Die Rede ist von großen Bäumen auf dem alten jüdischen Friedhof an der Hooverstraße im Stadtteil Kriegshaber. Die Israelitische Kultusgemeinde will nun aus religiösen Gründen eine große Fällaktion. Ob es dafür eine Genehmigung der Stadt geben wird, ist aber noch offen. Im Umweltausschuss gab es Zweifel, ob in diesem Fall eine Ausnahme erlaubt sein sollte. Im städtischen Amt für Grünordnung spricht man von einem komplizierten Fall.
Wie Grünamtsleiterin Anette Vedder erläutert, sind 20 Bäume der rund 40 Bäume auf dem jüdischen Friedhof sozusagen doppelt geschützt – nicht nur durch die städtische Baumschutzverordnung, sondern auch durch den geltenden Bebauungsplan. Er sieht einen Erhalt des Grüns vor. Das Problem: Bei den Vorschriften im Bebauungsplan sei wohl nicht auf den Ritus Halacha geachtet worden, sagt Vedder. Dieser Ritus sehe vor, dass auf jüdischen Grabstätten keine Bäume stehen dürfen.
Trotz dieser Regel ist auf dem jüdischen Friedhof an der Hooverstraße inzwischen ein ausgewachsenes Wäldchen entstanden. Das hat Gründe. Umweltreferent Reiner Erben sagt, die Israelitische Kultusgemeinde habe sich nach dem Krieg aus verschiedenen Gründen viele Jahre nicht um den alten Friedhof kümmern können. Das hat sich nun geändert. Nach Angaben des Grünamtes gibt es einen Antrag an die Stadt, das gesamte Friedhofswäldchen mit rund 40 großen Bäumen zu fällen.
Ein Ortstermin ergab nun auch Handlungsbedarf. Einige Bäume wachsen bereits aus den Grabsteinen heraus und beschädigen diese. Einige andere seien krank und nicht mehr standsicher, sagt Vedder. Dass solche Exemplare gefällt werden müssen, sei unstrittig. Hier müsse der Denkmalschutz für den Friedhof beachtet werden.
Wie es aber mit dem gesamten Wäldchen weitergeht, ist noch offen. Erben sagt, er werde sich in den kommenden Monaten die Grundlagen für eine Entscheidung genau anschauen. „Wir haben noch keine Lösung.“Der Referent will sich kundig machen, wie andere Kom- munen mit dem Halacha-Ritus auf Friedhöfen umgehen. Die religiöse Vorschrift werde offenbar auch nicht von allen jüdischen Gemeinden gleich ausgelegt, hieß es im Umweltausschuss. Dazu kommt, dass sich die Israelitische Kultusgemeinde in Augsburg kürzlich für ihre neuen Gräber auf Teilen des Neuen Ostfriedhofs in Lechhausen ausdrücklich ein Grundstück mit Bäumen gewünscht habe, sagt der Umweltreferent. Dort müssen die Ruhestätten allerdings so angelegt werden, dass der vorhandene Baumbestand erhalten bleibt.
Im Umweltausschuss forderten Stadträte quer durch die Parteien umfangreiche Prüfungen, bevor im jüdischen Friedhof an der Hooverstraße mit Baumfällungen Fakten geschaffen werden. Das Friedhofswäldchen sei eine grüne Oase für Anwohner, so die Grünen. Aus Sicht der SPD müssen Belange des Artenschutzes und die Möglichkeit für Ersatzpflanzungen genauer untersucht werden. Bei der CSU hat man Sorge davor, dass die Stadt mit einer Fällgenehmigung für die Israelitische Kultusgemeinde einen Präzedenzfall schaffen könnte. Die Baumschutzverordnung müsse in diesem Fall genauso gehandhabt werden, wie bei anderen privaten Antragstellern. Es sei auch ein Versäumnis der Kultusgemeinde gewesen, die Friedhofsbäume Jahrzehnte lang wachsen zu lassen. Anette Vedder sagt, das Amt für Grünordnung strebe in diesem schwierigen Fall eine Kompromisslösung an. Wenn Bäume auf dem Friedhof gefällt werden müssen, sieht sie Raum für Ersatzpflanzungen entlang der Hooverstraße und am Spielplatz, der im Süden an die Straße angrenzt.