Ein Hauch von Ali
Anthony Joshua verteidigt seine Titel und weckt Erinnerungen an den Größten. Auch wenn er ganz anders kämpft
London So ist das Schwergewicht: Ein knallharter Schlag beendete abrupt eine Schlacht, die der britische Feldherr möglicherweise zu verlieren drohte. Mit einem spektakulären K. o. nach 1:59 Minuten der siebten Runde verteidigte der charismatische Anthony Joshua, 28, seine Sammlung an Weltmeistergürteln (WBA Super, WBO, IBF, IBO) gegen den elf Jahre älteren und zehn Zentimeter kleineren Alexander Povetkin. „Wenigstens dieses britische Problem mit den Russen wäre gelöst“, kommentierte einleitend Paul Hayward im Daily Telegraph ironisch.
80 000 Zuschauer hatten im Londoner Wembley-Stadion gesehen, dass der Champion in den ersten fünf Runden große Probleme hatte mit einem Gegner, der aus einer kompakten Deckung in der Halbdistanz angriff. „Alexander war ein harter Herausforderer und bewies das mit einem guten linken Haken“, erzählte der strahlende Sieger nach dem Kampf im Ring.
In der ersten Runde hatte sich Joshua nicht nur eine blutige Nase geholt, sondern knickte, getroffen von Povetkins knackigem linken Haken, in den Knien ein. Wie noch ein zweites Mal in der dritten Runde. „Reden wir nicht darüber“, wehrte „AJ“mit seinem charmanten Lachen diesbezüglich Fragen ab.
Joshua kam mit dem routinierten und souveränen Angriffsstil Povetkins nicht klar. Erst ein stark blutender Cut, erlitten in der vierten Runde über dem linken Auge, brachte den Russen etwas aus dem Konzept. Dazu kam Joshuas linker Jab in der sechsten Runde. „Ich habe gemerkt, dass er hart am Kopf, aber schwach am Körper ist, und machte ihn mit jedem Jab auf den Bauch müder“, erklärte der Champion seine Taktik.
Der Brite mit nigerianischen Wurzeln lag bei allen drei Punktrichtern nach der Hälfte der Distanz mit 2:4 Runden hinten. Mit einer krachenden Rechten in der dramatischen siebten Runde ließ Joshua seinen Gegner dann aber durch den Ring taumeln, setzte mit zwei Rechts-Links-Kopftreffern nach. Povetkin stürzte kopfüber zu Boden und hatte größte Mühe, wieder aufzustehen.
Ein geschlagener Mann, den der Weltmeister mühelos mit einer Schlagserie erneut parterre schickte. Ringrichter Steve Gray packte den sitzenden Povetkin mit einer Hand am Nacken, schaute ihm tief in die Augen und signalisierte das Ende.
Es war Joshuas 22. Sieg im 22. Kampf, der 21. durch k.o. „Ich habe meine K.-o.-Linie wiedergefunden“, sagte Joshua, der zuletzt gegen den WBO-Weltmeister Joseph Parker nur nach Punkten gewonnen hatte. In der siebten Runde hatte auch Wladimir Klitschko vor fünf Jahren Povetkin dreimal schwer zu Boden geschlagen, ohne jedoch, dass der Ringrichter damals abbrach.
Noch im Ring forderte Joshua den ebenfalls unbesiegten WBCWeltmeister Deontay Wilder zum „Showdown“am 13. April im Wembley-Stadion auf. Vorher aber verteidigt der Amerikaner am 1. Dezember in den USA seinen Titel gegen einen anderen ungeschlagenen Engländer: Tyson Fury.
Nach dem Ende der KlitschkoÄra boomt das Schwergewicht wieder. Joshua erhielt für seine Nachtarbeit stattliche 22,2 Millionen Euro, Povektin immerhin noch knapp sieben Millionen Euro Schmerzensgeld.
Joshua strahlt etwas von der Aura eines Muhammad Ali aus, was die Veranstalter auch gezielt inszenierten. Auf dem Weg zum Ring wurde der König der Königsklasse in Aliweißer Robe von einer hydraulischen Plattform zur Begrüßung des Publikums, begleitet von einer bombastischen Lichtshow, emporgehoben.
Stilistisch allerdings verbietet sich ein Vergleich: Muhammad Ali faszinierte mit seiner „sting like a bee, float like a butterfly“-Eleganz. Anthony Joshua imponiert mit seiner Schlagkraft.