Ruhe, bitte!
Quint Buchholz hat berühmte Bücher wie „Sofies Welt“oder „Nero Corleone“illustriert. Seine Bilder erzählen von Geduld und Muße. Eine Begegnung mit dem Maler und seinen Werken in der Galerie Süßkind
Man kommt wohl um dieses eine Wort, das immer fällt, wenn man über den Maler und Illustrator Quint Buchholz liest und hört, nicht herum: Ruhe.
Da mag es an einem der letzten Sommerabende noch so turbulent auf den Straßen zugehen, da mag das Gedränge mit schwatzenden Menschen zur Vernissage in der Galerie Süßkind noch so dicht sein, an den Wänden der Augsburger Galerie hängen Bilder, bei deren Betrachtung man zur Ruhe kommt, sich Zeit nimmt und genauer hinschaut. Schneelandschaften, grüne Wiesen, die in gräulich-weißen Nebelschleiern verschwinden und immer wieder: das Meer, das in den Himmel übergeht. Blau, Grau und Weiß in vielen Nuancen und Schattierungen herrschen vor, dazwischen leuchtende Akzente in sattem Gelb, knalligem Rot und strahlendem Grün.
Der lärmende Alltag hat hier keinen Platz, es sind Bilder der Stille und der Langsamkeit, die Quint Buchholz vorwiegend mit Acrylfarben auf die Leinwand malt. Momentaufnahmen, die von Achtsam- keit und Geduld, von Muße und Müßiggang erzählen. Quint Buchholz ist ein „Sammler der Augenblicke“. So heißt eines seiner beliebtesten Bücher, das er nicht nur illustriert, sondern zu dem er auch den Text geschrieben hat, und so ist auch die Ausstellung in der Galerie Süßkind betitelt, die aber auch andere Werke des Malers, der in Ottobrunn bei München lebt, vorstellt.
Bei all dem ist es kein Wunder, dass der Mann, der an diesem Abend im Mittelpunkt steht, einen Satz sagt wie diesen: „Es ist eine Frage der Menschenwürde, dass man Dinge in der Geschwindigkeit tun kann, die zu einem passt.“Buchholz lenkt den Blick auf Vergessenes und Verborgenes, auf Dinge, die in der schnelllebigen und komplizierten Zeit weniger Platz haben – und lässt dabei staunen und entdecken.
Denn wie realistische Fotografien wirken viele seiner Bilder auf den ersten Blick. Danach folgt die Irritation: Steht da auf dem Leuchtturm neben zwei Männern nicht auch ein Pferd? Und die Elefanten, die sich im Schneegestöber zwischen zwei Häuserfronten ausmachen lassen, sind die eine Halluzination? Ein im Wasser Violine spielendes Wesen mit Wolfskopf, Kühe auf dem Dach eines Hauses oder der Zirkuswagen, der in der Luft schwebt – Quint Buchholz treibt ein Spiel mit der Welt, macht Unbewusstes sichtbar. „Ich versuche nicht, Antworten zu geben, sondern Lust zu machen, sich von dieser verschobenen Realität anregen zu lassen und sie weiterzudenken“, erklärt er. Diese assoziative Art des Malens hat Buchholz zu einem der renommiertesten Illustratoren in Deutschland gemacht – weil er Bilder nicht vorgibt, sondern den Betrachter dazu verführt, den eigenen Bildern Raum zu geben. Neben den eigenen Büchern wie dem Kinderklassiker „Schlaf gut, kleiner Bär“hat Quint Buchholz, der im vergangenen Jahr seinen 60. Geburtstag feierte, den Büchern vieler anderer Autoren ein Gesicht gegeben. Elke Heidenreichs Kater „Nero Corleone“sehen wohl viele Leser als schwarzen Kater mit leuchtenden grün-gelben Augen an einer Türschwelle sitzen. Sein auflagenstärkstes Illustrations-Werk aber ist „Sofies Welt“, jenes weltweit erfolgreiche Kinderbuch von Jostein Gaarder, für das er ein Titelbild zeichnete, das auch viele Erwachsene in dieses Buch über die Philosophie hineinzog: ein Fernrohr vor einem offenen Fenster, das den Blick freigibt auf die im Universum schwebende Weltkugel.
Und woher nimmt er nun diese Ruhe, die für Buchholz und seine Bilder schon zum Synonym geworden ist? „Das ist meine Grundtemperatur. Aber die muss ich immens verteidigen gegen die Schnelligkeit und Hektik dieser Zeit. Ich muss mir auch Raum dafür schaffen.“
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Ausstellung „Der Sammler der Au genblicke“in der Galerie Süßkind bis 3. November, Di. bis Fr. von 10.05 bis 18 Uhr und Sa. von 10.05 bis 16 Uhr; eine Lesung und ein Gespräch mit Quint Buch