Friedberg will kein Sexgewerbe
Stadtrat Wenn 30 000-Einwohner-Marke genommen wird, ist in der Nachbarstadt Prostitution grundsätzlich zulässig. Der Antrag der Grünen, einen Sperrbezirk auszuweisen, stößt bei den anderen Fraktionen jetzt auf breite Zustimmung
Friedberg Die Ausübung der Prostitution soll im ganzen Friedberger Stadtgebiet verboten werden. Ob und wie sich diese Forderung der Grünen in der Praxis umsetzen lässt, mit dieser Frage hat sich nun die Stadtverwaltung zu beschäftigen und dem Stadtrat eine mögliche Vorgehensweise vorzuschlagen. Lediglich Jakob Eichele (Freie Wähler) stimmte in der jüngsten Sitzung dagegen, sich mit diesem Thema überhaupt zu beschäftigen. Eine Begründung für seine Entscheidung blieb er in der öffentlichen Debatte schuldig.
„Die grüne Stadtratsfraktion lehnt Prostitution ab, da sie eine permanente Menschenrechtsverletzung darstellt“, sagte Sprecherin Claudia Eser-Schuberth zu dem Vorstoß. Prostitution sei die freie Verfügbarkeit des weiblichen Körpers zum Gebrauch durch Männer und mache alle Frauen zur potenziellen Ware. Sie habe negative Auswirkungen auf die Gesellschaft im Ganzen, insbesondere auf junge Menschen. Zudem gingen nach Schätzungen rund 95 Prozent der Frauen diesem Gewerbe nicht freiwillig nach. Viele würden über Menschenhändlernetzwerke nach Deutschland gebracht, so EserSchuberth.
Hintergrund des Antrags ist der Umstand, dass Friedberg in naher Zukunft voraussichtlich die 30 000-Einwohner-Marke überspringt. Laut dem bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung hatte Friedberg im Juni 2017 genau 29583 Einwohner. Mit der Fertigstellung des Neubaugebiets an der Afrastraße, wo einmal 400 Menschen ein Zuhause finden sollen, könnte also die kritische Marke erreicht sein. Damit wäre Prostitution erlaubt – wenn Friedberg dagegen nicht rechtzeitig Vorkehrungen trifft. Etwa durch die Ausweisung eines Sperrgebiets, die bei der Regierung von Schwaben werden müsste. Die rechtliche Grundlage schafft eine Verordnung der bayerischen Staatsregierung aus dem Jahr 1975. Demnach ist es in Gemeinden bis zu 30 000 Einwohnern verboten, der Prostitution nachzugehen. Die Bezirksregierungen sind außerdem ermächtigt, weitere Verbote zu erlassen für Städte mit bis zu 50 000 Einwohnern. In der Regel müssen die Städte dazu einen Antrag stellen. Voraussetzung ist, dass die Sperrbezirksverordnung dem Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes dient. Dazu reicht laut Verwaltungsgerichtshof auch schon aus, dass es eine „abstrakte Gefahr“geben könnte. Gerade in kleineren Kommunen bis 50 000 Einwohner könne es aufgrund der Strukturen zu „einer erhöhten sozialen Wahrbeantragt nehmbarkeit der Prostitution“führen.
Entsprechende Verordnungen gibt es bereits in Erding, Freising, Fürstenfeldbruck oder Memmingen. Auch die Stadt Landsberg hat erst vor einiger Zeit die Ausweisung eines Sperrgebiets beantragt, nachdem die Verwaltung dort etwa 30 Stellungnahmen öffentlicher Stellen eingeholt hatte. Maßgeblich war die Sorge der Polizei, die Begleitkriminalität wie Zuhälterei oder Drogenmissbrauch befürchtete.
Bereits im Vorfeld hatten SPD und CSU Unterstützung für den Vorstoß der Grünen signalisiert – wenngleich SPD-Fraktionschef Roland Fuchs von Scheinheiligkeit spricht: Prostitution sei insgesamt ein Problem, aber man werde es nicht in Friedberg lösen können. Zumal wenige Kilometer weiter in Augsburg die Bordelle zu finden seien.
Für seinen CSU-Kollegen Thomas Kleist ist klar, dass die Stadt einen Sperrbezirk ausweisen solle, wenn sie die Möglichkeit dazu habe. Ein weiteres Instrument haben die Kommunalpolitiker mit der Bauleitplanung in der Hand: Sie können das Sexgewerbe für einzelne Gebiete auch mit Bebauungsplänen verbieten.
Bislang scheint Prostitution in Friedberg kein Thema gewesen zu sein. Anders als in Augsburg, wo die Behörden von etwa 20 offiziellen und 90 meist illegalen Wohnungsbordellen ausgehen, sind weder der Friedberger Polizei noch der Stadtverwaltung derartige Vorkommnisse bekannt.