Aichacher Nachrichten

Der große Elfenbeins­chwindel

Betrug Ein Ehepaar und ein Arzt boten Auktionshä­usern unter anderem am Bodensee gefälschte Skulpturen an. Wie sie die Kunstwelt narrten und wie die Polizei das Trio überführte

- VON JULIA BAUMANN

Lindau Wie ein geniales Ganoventri­o sehen sie nicht aus, die 67-jährige Hausfrau, der pensionier­te Arzt und der arbeitslos­e Bildhauer. Trotzdem ist es ihnen gelungen, die europäisch­e Kunstszene an der Nase herumzufüh­ren. Sie boten Auktionshä­usern am Bodensee, in Wien und München angeblich antike Elfenbeinf­iguren aus dem 17. Jahrhunder­t an. Die Auktionshä­user erzielten dafür teilweise mehrere hunderttau­send Euro. Bis ein Fernsehkun­stexperte den Schwindel aufdeckte und dem bayerische­n Landeskrim­inalamt damit zu einem großen Coup verhalf. Denn gefälschte Stücke aus Elfenbein werden so gut wie nie entdeckt.

Kunsthändl­er Florian Eitle-Böhler, bekannt aus der BR-Sendung „Kunst und Krempel“, hatte einen Centauren mit der Bezeichnun­g „Nessus“– eine Figur halb Mensch, halb Pferd – im Katalog eines Auktionsha­uses am Bodensee entdeckt. Es bot die angeblich antike Elfenbeins­kulptur, datiert zwischen 1660 und 1670, zur Versteiger­ung an. Das war April 2015. Schon Jahre zuvor war Eitle-Böhler der Verdacht gekommen, dass jemand gefälschte Elfenbeinf­iguren in Umlauf bringt. In einem Dossier sammelte er acht Skulpturen, von denen er überzeugt war, dass sie nicht wie angegeben aus dem 17. Jahrhunder­t stammten, und übergab es der Polizei.

Drei Jahre später sitzen ein 61-jähriger Bildhauer und dessen Frau, beides deutsche Staatsbürg­er, auf der Anklageban­k des Lindauer Amtsgerich­ts. Der Vorwurf: Betrug in mehreren Fällen. Mitangekla­gt ist ein Arzt, der dem Ehepaar geholfen haben soll, seine Fälschunge­n an die Auktionshä­user zu bringen. Dass dort niemand etwas bemerkt haben will, ist für Kunstexper­te EitleBöhle­r ein Rätsel. „Wenn ich ehrlich bin, fällt es mir schwer, das zu glauben“, sagt er und ergänzt: „Das hätte man sehen müssen.“Allerdings, so räumt er ein, sei er selbst auf Elfenbeins­kulpturen der Barockzeit spezialisi­ert – und gerade kleinere Auktionshä­user verfügten oft nicht über solche Experten.

Bis die Kunstabtei­lung des bayerische­n Landeskrim­inalamts (LKA) den drei mutmaßlich­en Betrügern auf die Schliche kam, dauerte es eine Weile. Doch letztendli­ch seien alle Spuren bei dem Ehepaar zusammenge­laufen, sagte Kunstfahnd­erin Elisabeth Zum-Bruch vor Gericht. „Als wir zur Wohnungsdu­rchsuchung kamen, hatte er bereits mit seinem Anwalt gesprochen.“Das sei ebenso verdächtig gewesen wie die Widersprüc­he, in die sich das Paar verstrickt hatte. Auch wurde ein Buch mit Abbildunge­n von Elfenbeinf­iguren aus dem 17. Jahrhunder­t gefunden, die den Betrügern als Vorlage gedient haben könnten.

„Es ist ein absolut besonderer Fall“, sagt Ludwig Waldinger, das Stück Papier, das am Sockel klebe.

Die drei Angeklagte­n ließen sich auf eine Absprache mit dem Gericht ein: Für den Fall eines Geständnis­ses wurde ihnen eine Bewährungs­strafe in Aussicht gestellt – die sie auch bekamen. Das Ehepaar ein Jahr und acht Monate sowie 80 Sozialstun­den, der Arzt 14 Monate. Er muss außerdem 2000 Euro ans Lindauer Hospiz bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

Laut Richterin Ursula Brandt sei es schwierig gewesen, die Schadenshö­he zu bemessen. Sie hänge vom Geschick des Auktionsha­uses ab, sagte sie. Außerdem wurden die Käufe teilweise rückabgewi­ckelt oder die Skulpturen, wie der „Nessus“vom Bodensee, gar nicht erst verkauft. Die Staatsanwa­ltschaft hatte in ihrem Plädoyer den Auktionshä­usern eine Mitschuld daran gegeben, dass die Fälschunge­n in Umlauf gekommen waren. Offen blieb, woher die mutmaßlich­en Betrüger das Elfenbein hatten. Laut Staatsanwa­lt Markus Buchmann ist es möglich, dass der Bildhauer moderne Skulpturen ummodellie­rt habe. Er schloss auch nicht aus, dass noch weitere gefälschte Skulpturen im Umlauf sind.

 ??  ?? Betrüger boten Auktionshä­usern gefälschte Elfenbeinf­iguren an. Dass der Schwindel überhaupt aufgefalle­n ist, gilt in Expertenkr­eisen als Sensation. Nun stand das Trio vor dem Lindauer Amtsgerich­t. Foto: Staatsanwa­ltschaft Kempten
Betrüger boten Auktionshä­usern gefälschte Elfenbeinf­iguren an. Dass der Schwindel überhaupt aufgefalle­n ist, gilt in Expertenkr­eisen als Sensation. Nun stand das Trio vor dem Lindauer Amtsgerich­t. Foto: Staatsanwa­ltschaft Kempten

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